Zu meiner Zeit
Bestand noch Recht und Billigkeit.
Da wurden auch aus Kindern Leute,
Aus tugendhaften Mädchen Bräute;
Doch alles mit Bescheidenheit.
O gute Zeit, o gute Zeit!
Es ward kein Jüngling zum Verräter
Und unsre Jungfern freiten später
Sie reizten nicht der Mütter Neid
O gute, Zeit
Zu meiner Zeit
Befliß man sich der Heimlichkeit.
Genoß der Jüngling ein Vergnügen,
So war er dankbar und verschwiegen;
Doch jetzt entdeckt er´s ungescheut.
O schlimme Zeit, o schlimme Zeit!
Die Regung mütterlicher Triebe,
Der Vorwitz und der Geist der Liebe
Fährt jetzt oft schon in´s Flügelkleid.
O schlimme Zeit
Zu meiner Zeit
ward Pflicht und Ordnung nicht entweiht.
Der Mann ward, wie es sich gebühret
Von einer lieben Frau regieret
Trotz seiner stolzen Männlichkeit.
O gute Zeit, o gute Zeit!
Die Fromme herrschte nur gelinder,
Uns blieb der Hut und ihm die Kinder;
Das war die Mode weit und breit.
O gute Zeit
Zu meiner Zeit
war noch in Ehen Einigkeit.
Jetzt darf der Mann uns fast gebieten,
Uns widersprechen und uns hüten,
Wo man mit Freunden sich erfreut.
O schlimme Zeit, o schlimme Zeit!
Mit dieser Neuerung im Lande,
Mit diesem Fluch im Ehestande
Hat ein Komet uns längst bedräut.
O schlimme Zeit
Text: Hagedorn (1744)
Musik: a) Originalmelodie von Görner, Hamburger Organist (1744) — b) Wolfgang Amadeus Mozart (18. Mai 1784)