Wo soll ich mich hinkehren ich armes Brüderlein?

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Wo soll ich mich hinkehren ich armes Brüderlein?

Wo soll ich mich hinkehren
ich tumbes Brüderlein?
Wie soll ich mich ernähren,
mein Gut ist viel zu klein.
Als ich ein Wesen han
so muß ich bald davon.
Was ich soll heur verzehren
das han ich fernt vertan

Ich bin zu früh geboren
ja, wo heute ich hinkumm
Mein Glück kommt mir erst morgen
hätt ich das Kaisertum,
darzu den Zoll am Rhein
und wär Venedig mein
so wär es all verloren
es muß verschlemmet sein.

So will ich doch nit sparen
und ob ichs all verzehr
und will darum nit sorgen
Gott beschert mir morgen mehr
was hilfts daß ich lang spar
Vielleicht verlör ichs gar
Sollt mirs ein Dieb austragen
es reuet mich ein Jahr

Ich will mein Gut verprassen
mit Schlemmen früh und spat
und will ein Sorgen Iassen
dem es zu Herzen gaht
ich nim mir ein Ebenbild
an manchem Tierlein wild
das springt auf grüner Heide
Gott bhüt im sein Gefild

Ich siech auf breiter Heide
viel manches Blümlein stahn
das ist so wohl bekleidet
was Sorg sollt ich denn han
wie ich Gut überkum?
ich bin noch frisch und jung,
sollt mich ein Not anlangen,
mein Herz west nichts darumb

Kein grösser Freud auf Erden ist
denn gutes Leben han
Mir wird mit mehr zu dieser Frist
denn Schlemmen umb und an
darzu ein guter Mut
ich reis nit sehr nach gut
als mancher reicher burger
nach grossem Wucher tut.

Der gwinnt sein Gut mit Schaben
derzu mit grosser Not
wenn er ein Ruh soll haben
leit er, als sei er tot
So bin ich frisch und jung
Gott verleih mir viel der Stund
Gott bhüt mich jungen knaben
dass mir kein Unmut kum!

Ich laß die Vöglein sorgen
in diesem Winter kalt.
will uns der Wirt nichts borgen
mein Rock gäb ich ihm bald
das wammes auch darzu
ich hab weder rast noch ru
den abend als den morgen
bis dass ich gar vertu.

Zeile 5-8 dieser Strophe auch:
Der Wein, der mich erzog
hat nur ein hölzern Rock,
will mich als Faß ihm borgen
in meinem roten Rock

Stecht an den Schweinebraten
dazu die Hühner jung !
Darauf mag uns geraten
ein frischer kühler Trunk.
Mein Freund, du guter Wein
willkommen, du bist mein.
Mir ist ein Wein geraten
der muß verschlemmet sein.

Drei Würfel, eine Karten
das ist mein Wappen frei
Sechs hübsche Fräulein zarte
an jeder Seite drei.
Komm her, du schönes Weib
mein Herz freut sich im Leib.
du musst heut auf mich warten
der Wein ist Zeitvertreib.

Was hilft´s, daß ich soll sparen
vielleicht verlier ich´s gar.
Würd´s mir ein Dieb ausscharren
es reuet mich ein Jahr.
Ich weiß, mein Gut vergeht
mit Schlemmen früh bis spät.
Und der hat eine Meise,
dem das zu Herzen geht.

Ich bind mein schwert an d’seiten
und mach mich bald darvon,
han ich denn nit zu reiten
zu fussen muss ich gan
Es ist nit allzeit gleich
ich bin nit allweg reich
ich muss der zeit erbeiten
bis ich das glück erschleich.

Wo soll ich mich hinkehren, ich armes Brüderlein ?
Wie soll ich mich ernähren, mein Gut ist viel zu klein.
Als ich ein Wesen ham, so muß ich bald davon.
Was ich heut sollt verzehren, das hab ich jüngst vertan.

Text und Melodie : Verfasser unbekannt
altes Vagantenlied aus den Bergkreyen von 1535

Liederthema: ,
Liederzeit: vor 1535 : Zeitraum:
Schlagwort:
Geschichte dieses Liedes:

CDs und Bücher mit Wo soll ich mich hinkehren ich armes Brüderlein?:

"Wo soll ich mich hinkehren ich armes Brüderlein?" in diesen Liederbüchern

in: Zupfgeigenhansl (1908) — Deutsches Lautenlied (1914) — Der Spielmann (1914) —  St. Georg Liederbuch deutscher Jugend (1935)