Willekome, varender man!
wo läge du hinaht?
oder wo mitte wäre du bedaht?
oder in welre hande wise
bejageste kleider oder spise?
„Daz hestu gefraget einen man
der dir es in ganzen truwen wol gesagen kan:
mit dem himel was ich bedaht
und mit den rosen was ich unbestaht,
in eins stolzen knappen wise
bejage ich kleider und spise.“
Nu sage mir, meister Trougemunt,
zwei und sübenzig lant die sint dir kunt:
waz boumes birt ane blùt?
waz vogel söiget sine junge?
waz vogel ist ane zunge?
waz vogel ist ane mage?
kanstu mir des ützüt gesagen,
so wil ich dich für ein weidelichen knappen haben.
„Des hestu gefraget einen man
der dir in ganzen truwen wol gesagen kan:
die queckolter birt ane blùt,
der stork ist ane zunge,
die fledermus söiget ihre junger,
der swarbe ist ane magen,
ich wil dirs in ganzen truwen sagen
und fragestu mich ützüt mere,
ich sage dir fürbaz an din ere.“
Nu sag mir, meister Trougemunt,
zwei und sübenzig lant die sint dir kunt:
waz ist wisser denne der sne?
waz ist sneller denne daz rech?
waz ist höher denne berg?
waz ist vinsterre den die naht?
kanstu mir ützüt des gesagen,
so wil ich dich für einen jegerlichen knappen haben.
„Des hestu gefraget einen man
der dirs von grunde wol gesagen kan:
die sunne ist wisser den der sne,
der wint ist sneller den daz rech,
der boum ist höher den der berg,
die rame ist swerzer den die naht?
doch wil ich dir in ganzen truwen sagen:
fragestu mich ützüt mere,
ich sage dir fürbaz an din ere.“
Nu sag mir, meister Trougmunt,
zwei und sübenzig lant die sint dir kunt:
durch waz ist der Rin so tief?
oder war umbe sint frowen also liep?
durch waz sint die matten so grüne?
durch waz sint die ritter so küne?
kanstu mir daz üt gesagen?
so wil ich dich für ein stolzen knappen haben.
„Des hestu gefraget einen man
der dirs wol gesagen kann:
von manigem ursprunge ist der Rin so tief,
von hoher minnen sint die frowen liep,
von manigen würzen sint die matten grüne,
[von maniger starken wunden sint die ritter küne]
von grozen wunden sint die ritter küne;
unde fragestu mich ützüt mere,
ich sage dir fürbaz an din ere.“
Nu sagent mir, meister Trougmunt,
zwei und sübenzig lant die sint üch kunt:
durch waz ist der walt so grise?
durch waz ist der wolf so wise?
durch waz ist der schilt verblichen?
durch waz ist manig guet geselle von dem andern entwichen?
kanstu mir daz üt gesagen,
so wil ich dich han für ein weidelichen knaben.
„Daz hestu gefroget einen man
der dirs von grunde wol gesagen kan:
von manigem alter ist der walt grise,
von unnützen gengen ist der wolf wise,
von maniger starken herverte ist der schild verblichen,
unnützen Sübichen ist manig guet geselle von dem andern entwichen.“
Nu sage mir, meister Trougemunt,
zwei unde sübenzig lant die sint dir wol worden kunt:
waz ist grüne alsam der kle?
waz ist wisser den der sne?
waz ist swerzer den der kol?
waz zeltet rehter den der vol?
„Daz hab ich balde gesaget dir:
die agelster ist grüne alsam der kle
unde ist wis alsam der sne
unde ist swerzer den der kol
und zeltet reht alse der vol;
und fragestu mich ützüt mere,
ich sage dir fürbaz an din ere.“
Text und Musik: Verfasser unbekannt – laut Erk / Böhme in Deutscher Liederhort , die das Lied in neuhochdeutscher Umschreibung wiedergeben , ein Rätsellied aus dem 12. Jahrhundert (ohne Melodie). (Übersetzung ins Hochdeutsche)
CDs und Bücher mit Willkommen fahrender Mann (Trougemund):
"Willkommen fahrender Mann (Trougemund)" in diesen Liederbüchern
Der Originaltext in einer Pergamenthandschrift des 14. Jahrhunderts ehemals in der verbrannten Bibliothek zu Straßburg . (A94, Bl. 17) Zuerst veröffentlicht bei Grimm : Altdeutsche Wälder II 8-30 , mit eingehenden Texterläuterungen. Dann gedruckt bei W. Wackernagel : Altdeutsches Lesebuch I 639 , nach Lachmann´s Redaktion. Bei Uhland Nr. 1 als Trougemund . Bei Müllenhoff : Denkmäler S. 146 als Trougemundslied . Altdeutsches Liederbuch Nr. 270
Ludwig Uhland schreibt zu diesem Lied „Der deutschen Volksdichtung mangelt anderwärts auch nicht der altertümliche Rahmen für die Einreihung mehrfacher Aufgaben, die Prüfung des ankommenden Gastes. Diesen Zuschnitt hat das Traugmundslied…
Die Gebrüder Grimm ( Armer Heinrich 146, vergl. 139) setzen diese Handschrift in die zweite Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts…], was jedoch für den Ursprung seiner Anlage und seines Inhalts nicht Maß geben kann. Ein fahrender Mann wird bewillkommt und gefragt, wo er die Nacht gelegen, womit er bedeckt war, wie er Kleider und Speise gewinne? Mit dem Himmel war er bedeckt, mit Rosen umsteckt, als ein stolzer Knappe, ist die Antwort, ernähr er sich.
Sofort folgen die Rätsel mit wiederkehrenden Formeln der Anrede und bereiten Entgegnung; die erstere lautet: „Nun sage mir, Meister Traugmund, zweiundsiebenzig [Die Nummer 72 in Vers 3 bezieht sich auf den alten Gedanken, der Islam in 72 verschieden Sekten teilt. Es gibt einen hadith (extra-Qur’anic – Sprüche des Propheten) nach dem die Juden in 71 Sekten geteilt werden würden, die Christen in 72, und die Muslims in 73; nach einer anderen Version sind es die Juden, die in 72 Sekten geteilt werden würden. (J.Mark Sugars) , vgl ingeb.org ] Lande sind dir kund!“
Die erste Fragenstrophe betrifft Eigenheiten, meist fabelhafte, verschiedener Vögel und andrer Geschöpfe,[Vergl. Mones Anzeiger 1838, sp. 260. …Ist das Rätsel von den Vögeln, wie es mangelhaft im Traugmundsliede erscheint, nicht bloßes Einschiebsel, so zählt es doch zu den Fragen, mit denen erst angeschlagen und angesetzt wird.] die weitern Aufgaben und Lösungen sind diese: „Was ist weißer denn der Schnee, was ist schneller denn das Reh? was ist höher denn der Berg? was ist finstrer denn die Nacht? — Die sonne (anderwärts der Tag) ist weißer denn der Schnee, der Wind (das Windspiel?) ist schneller denn das Reh, der Baum ist höher denn der Berg, der Rabe [„die rame“ vergl. Graff IV, 1146. Schmeller III, 82. Ziemann 302b.] schwärzer denn die Nacht. —
Durch was ist der Rhein so tief? oder warum sind Frauen so lieb? durch was sind die Matten so grün? durch was sind die Ritter so kühn? — Von manchem Quell (ursprunge, D. Gramm. III, 387) ist der Rhein so tief, von hoher Minne sind die Frauen lieb, von manchen Würzen (Kräutern) sind die Matten grün, von starken Wunden sind die Ritter kühn. — Durch was ist der Wald so greis? durch was ist der Wolf so weiß? durch was ist der Schild verblichen? durch was ist manch gut Gesell von dem andern entwichen? — Von manchem Alter ist der Wald greis, von unnützen Gängen ist der Wolf weiß, von mancher starken Heerfahrt ist der Schild verblichen, untreuen Sibichen (Name des treulosen Ratgebers in der Heldensage) ist manch gut Gesell vom andern entwichen (a. von Alter wird der Wolf greis, von Duft und Schnee wird der Wald weiß, von großen Schlägen und Stichen ist Schild und Helm verblichen, von großer Untreu ist ein gut Gesell von dem andern gewichen.)[Einzelne Strophen aus dem sechzehnten Jahrhundert in Mones Anzeiger 1838, Sp. 260;…] —
Was ist grüner als wie der Klee? was ist weißer denn der Schnee? was ist schwärzer denn die Kohle? was zeltet rechter (geht bessern Paßgang [Die Handschrift hat zweimal trovgmunt und viermal trovgemunt, mit übergesetztem v, sie konnte trovc- setzen, wie sie berg für berc hat: o mit übergeschriebenem v steht sonst auch für uo, s. Docens Sendschreiben s. 21 ff. movz für muoz, grovz für gruoz,… und eben durch das Ueberschreiben ist mehrfach Verwechslung der beiden Diphthonge verursacht worden, Deutsche Grammatik I, 358]) denn das Fohlen? — Die Elster ist grün als wie der Klee, und ist weiß als wie der Schnee, und ist schwärzer denn die Kohle, und zeltet recht als wie das Fohlen.“ Traugmund, wie der fahrende Mann angeredet wird, ist ohne Zweifel derselbe Name, der im Gedichte von Drendel Tragemund gedruckt
[Tragemund, dromon, Benennung eines Fahrzeugs, kommt in Verlaufe des Gedichts in diesem Sinne vor und hat wohl auch die fehlerhafte Schreibung des Eigennamens veranlaßt. (Nach W. Wackernagels Glossar zum Altdeutschen Lesebuch s. 295 ist Tragemunt die richtige Form, mlt. drogamundus, arab. targoman, Dolmetsch.)] und einem armen wallenden Manne gegeben ist, dem auch zweiundsiebenzig [aa] Reiche kund sind.
in : Hoch- und niederdeutsche Volkslieder (1844 , Ludwig Uhland ) — Deutscher Liederhort ( III , Nr. 1061) —