Wie mir deine Freuden winken
nach der Knechtschaft, nach dem Streit!
Vaterland, ich muss versinken
hier in deiner Herrlichkeit!
Wo die hohen Eichen sausen
himmelan das Haupt gewandt,
wo die starken Ströme brausen
alles das ist deutsches Land.
Von dem Rheinfall hergegangen
komm‘ ich, von der Donau Quell,
und in mir sind aufgegangen
Liebessterne mild und hell;
niedersteigen will ich, strahlen
soll von mir der Feuerschein
in des Neckars frohen Talen
und am silberblauen Main.
Weiter, weiter musst du dringen
du mein deutscher Freiheitsgruss,
sollst vor meiner Hütte klingen
an dem fernen Memelfluss.
Wo noch deutsche Worte gelten
wo die Herzen stark und weich,
zu dem Freiheitskampf sich stellten
ist auch heil’ges deutsches Reich.
Alles ist in Grün gekleidet
alles strahlt im jungen Licht:
Anger, wo die Herde weidet
Hügel, wo man Trauben bricht!
Vaterland! in tausend Jahren kam
dir solch ein Frühling kaum;
was die hohen Väter waren
heisset nimmermehr ein Traum.
Aber einmal müsst ihr ringen
noch in ernster Geisterschlacht
und den letzten Feind bezwingen
der im Innern drohend wacht.
Hass und Argwohn müsst ihr dämpfen
Geiz und Neid und böse Lust;
dann nach schweren, langen Kämpfen
kannst du ruhen, deutsche Brust!
Jeder ist dann reich an Ehren
reich an Demut, reich an Macht;
so kann nur sich selbst verklären
unsers Kaisers heil’ge Pracht.
Alte Sünden müssen sterben
in der gottgesandten Flut
und an einen sel’gen Erben
fallen das ersühnte Gut.
Segen Gottes auf den Feldern
in des Weinstocks heil’ger Frucht;
Manneslust in grünen Wäldern
in den Hütten frohe Zucht;
in der Brust ein frommes Sehnen
ew’ger Freiheit Unterpfand:
Liebe spricht in zarten Tönen
nirgends wie im deutschen Land.
Ihr in Schlössern, ihr in Städten
welche schmücken unser Land;
Ackersmann, der auf den Beeten
deutsche Frucht in Garben band;
traute deutsche Brüder, höret
meine Worte alt und neu:
Nimmer wird das Reich zerstöret
wenn ihr einig seit und treu!
Text: Max von Schenkendorf (1814, „Frühlingsgruß an das Vaterland“)
Zuerst in Schenkendorfs Gedichten (Stuttgart und Tübingen , 1815)
Musik: Bernhard Klein – 1817
auf die gleiche Melodie wird gesungen: unter anderem Das Lied der Deutschen in Österreich (1884)