Wie heisst König Ringangs Töchterlein

»

Wie heisst König Ringangs Töchterlein?
Rohtraut, Schön-Rohtraut.
Was tut sie denn den ganzen Tag
da sie wohl nicht spinnen und nähen mag?
Tut fischen und jagen
O dass ich noch ihr Jäger wär
Fischen und jagen
freute mich sehr.
Schweig stille, mein Herze!

Und über eine kleine Weil
Rohtraut, Schön-Rohtraut,
so dient der Knab auf Ringangs Schloss
in Jägertracht und hat ein Ross,
mit Rohtraut zu jagen
O dass ich doch ein Königssohn wär
Rohtraut, Schön-Rohtraut lieb ich so sehr.
Schweig stille, mein Herze!

Einstmals sie ruhten am Eichenbaum
da lacht Schön-Rohtraut:
Was siehst mich an so wunniglich?
Wenn du das Herz hast, küsse mich!
Ach! Erschrak der Knabe!
Doch denket er: mir ist’s vergunnt
und küsset Schön-Rohtraut
auf den Mund.
Schweig stille, mein Herze!

Darauf sie ritten schweigend heim
Rohtraut, Schön-Rohtraut;
es jauchzt der Knab in seinem Sinn:
und würd’st du heute Kaiserin,
mich sollt’s nicht kränken:
ihr tausend Blätter im Walde wisst
ich hab‘ Schön-Rohtrauts
Mund geküsst.
Schweig stille, mein Herze!

Text: Eduard Mörike (1838)
Musik: Louis Schlottmann (1826-1905)
in: Volkstümliche Lieder der Deutschen (18795, „Schön Rotraut“) — Albvereins-Liederbuch (ca. 1900) —

Liederthema: ,
Liederzeit: vor 1838 : Zeitraum:

CDs und Bücher mit Wie heisst König Ringangs Töchterlein:

Anmerkungen zu "Wie heisst König Ringangs Töchterlein"

Aus „Gedichte von Eduard Mörike“ (Stuttgart und Tübingen 1838 S 20). Diese schöne Romanze, den altnordischen Balladenstil trefflich nachahmend, hat man mehrfach für Männerchor komponiert. (Möhring, Ad Wallnöfer) Aus ihr ist auch die Idee zu einer Oper gleichen Namens hervorgegangen, Textbuch von Julie Baltz, Musik von Edm. Kretschmer, Dresden 5 Nov 1888 erste Aufführung.

Rotraut heißt Ruhmtraut, vom althochdeutschen: hrudi = Ruhm und trût = traut. Der Dichter selbst schreibt Roh-traut, falsch ist jedenfalls Roth-raut. Ob der Name urkundlich irgendwo oder in einem Märchen vorkommt oder von Mörike erfunden ist, weiß ich nicht. Die Erklärung entlehne ich dem Operntextbuche. (Böhme, 1895, Volkstümliche Lieder der Deutschen)