Wer groß Wunder schauen will (Tannhäuser, 1832)

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Wer groß Wunder schauen will (Tannhäuser, 1832)

Wele groß Wunder schauen wil
der gang in grünen Wald uße
Tanhuser war ein Ritter gut
groß Wunder wolt er schauen

Wan er in grünen Wald uße kam
zu dene schönen Jungfrauen
sie fingen an ein langen Tanz
ein Jär war inen ein Stund

Tanhuser lieber Tanhuser mein
weit ir bei uns verbleiben
ich wil euch die jüngste Tochter gä
zu einem ehlichen Weibi

Die jüngste Tochter die wil ich nid
sie treit der Teufel in ire
ich gses an ire brun Augen an
wie er in ire tut brinnen

Tanhufer lieber Tanhuser mein
du solest uns nit schälten
wan du komst in disen Barg
so müst du es egälten

Frau Frene hat ein Feigenbaum
er leit sich drunter zu schlafen
es kam im für in seinem Traum
von Sünden sol er laßen

Tanhuser stund uf und gieng darvon
er wolt ge Rom ge bichten
wan er ge Rom wol inne käm
war er mit bluten Füßen

Wan er ge Rom wol ine kam
war er mit bluten Füßen
er fiel auch nider uf seini Knie
seini Sünden wolt er abbüßen

Der Papst treit ein Stab in seiner Hand
vor Dürri tut er spalten
So wenig wärden dir din Sünden nachglan
so wenig daß der Stab grünet

Er kneuet für das Kreuzaltar
mit außgespanten Armen
Ich bittes dich Her Jesus Christ
du wellist meiner erbarmen

Tanhuser gieng zur Kirchen uß
mit seim verzagten Härzen:
Gott ist mir allezeit gnädig gsi,
iez můß ich vonem laßen

Wan ēr fürs Chor hin uße käm
begägnet ihm üsi liebe Frauen
„Behüt dich Gott, du reini Magt!
dich darf ich nimmen anschauen

Es gieng ummen eben drithalben Tag
der Stab fieng an zu grůnen
der Papst schickt uß in alli Land,
er ließ Tanhuser sůchen

Tanhuser ist iez nimmen hier
Tanhuser ist verfaren!
Tanhuser ist in Frau Frenen Bärg,
wott Gottes Gnad erwarten.

Drum sol kein Papst, kein Kardinal
kein Sünder nie verdammen
der Sünder mag sein so groß er wil
kan Gottes Gnad erlangen

Text und Musik: Verfasser unbekannt

Der Text in: Hans Philipp Werner Freiherr von und zu Aufseß : Anzeiger für Kunde des deutschen Mittelalters , 1832, Erster Jahrgang München Das. S. 239-242 ,
Die Melodie mündlich, aus der Schweiz (Escholdsmatt im Entlebuch). 1830
abgedruckt in:  Deutscher Liederhort (1856, Nr. 27) mit Anmerkungen

CDs und Bücher mit Wer groß Wunder schauen will (Tannhäuser, 1832):

Anmerkungen zu "Wer groß Wunder schauen will (Tannhäuser, 1832)"

Texterläuterungen:

  • 1: Wale (wele) = welcher —  gang, gehe — uße, hinaus —
  • 2.:   Wan, indem, da — inen,  ihnen —
  • 3.:  weit, wollet —  gä,  geben —
  • 4.:  treit, trägt —  ich gsehs, ich seh es —  brun, braun —
  • 5.:  eegälten, entgelten —
  • 6.:  Frau Frene , Frau Venus —  leit, legt —
  • 7: gee, gehn —  bichten, beichten —  bluoten, blutigen, blutenden —
  • 9.:  Dürri, Dürre, Trockenheit  —
  • 10:  kneuet,  kniet —  wellist , wollest — Vers I lautete wohl ursprünglich: „Tanhuser viel in Crüzestal“ (so Uhland , II, 1032) ll —
  • 11.: gsi, gewesen — vonem,  von ihm —
  • 12.:  üsi, unsere — nimmen, nicht mehr —
  • 14.:  wott.  wollt

Der Minnesänger und Spruchdichter Tannhäuser (mittelhochdeutsch Tanhûser lebte im 13. Jahrhundert; historisch datierbare Hinweise in seiner Lyrik weisen auf die Jahre zwischen 1245 und 1265. (Wikipedia)  Tannhäusersage etwa ab 1430.

Als Venusberg – auch als Schamhügel, Schamberg, Venushügel oder in der medizinischen Fachsprache als Mons pubis oder Mons veneris bezeichnet – wird die leichte Erhebung über dem weiblichen Schambein bezeichnet. Der Venusberg beginnt an der Stelle, wo die äußeren Schamlippen vorne zusammenlaufen  (Wikipedia)

Entsprechend deutet der „Stab“ auf den Phallus hin. Der Papst hat einen dürren Stab, der nicht grünt. Hingegen grünt der Stab des Tannhäusers als er wieder bei seiner Liebsten weilt ( drei volle Tage !), der Papst hingegen ist „ewiglich verloren“. In der Fassung von etwa 1520 ist die Geschichte noch recht eindeutig erzählt.

Papst Urban der Vierte war Papst von 1261-1264 – er residierte in Orvieto und Viterbo und hat Rom nie betreten. Der Sage nach war es Papst Urban IV., der dem aus dem Venusberg zurückgekehrten Tannhäuser die Absolution verweigerte, weil diesem so wenig Heil werden könne, wie der Priesterstab in seiner Hand zu erblühen vermöchte. In der Sage freilich ergrünt der Priesterstab dem päpstlichen Diktum zum Trotz, weswegen die Legende die Verdammnis auf Urban IV. geworfen sieht. (Wikipedia)