Wenn du, ermattet von des Tages Lasten
vernimmst der Feierstunde Glockenschlag
hinsinkst, auf kurze Stunden auszurasten
bis wieder dich zum Frohndienst weckt der Tag
wenn deines Geistes immer reges Schaffen
zum Freiheitstempelbau der neuen Zeit
trägt Stein´ auf Steine ohne zu erschlaffen
und kaum die Nacht die kurze Ruhe beut
Dann ist dir, Mann der Arbeit, ob mit Händen
du, oder mit Gedanken wirken mußt
wohl nach der Woche und des Werk´s vollenden
zu gönnen eines Festes Lohn und Lust
Doch nimmer mehr im wilden Rausch der Sinne
vergeude deines Lebens Geist und Kraft
deß schon zu viel zu eigenem Gewinne
die Tyrannei unrechtlich dir entrafft
du brauchst Betäubung nicht im Glas zusuchen
es schwemmt kein Trank das Elend dir hinab
Du brauchst mit Beten nicht und nicht mit Fluchen
zu übertünchen dieser Zeiten Grab
Laß allen Firlefanz und äußern Schimmer
dem lügnerischen Troß der Tyrannei
Du aber sei bei deinen Festen immer
deß eingedenk: Noch ist die Welt nicht frei
Noch schmachten MIlliarden Unterdrückter
in Not und Trübsal recht und heimatlos
Indessen einer kleinen Zahl Beglückter
Genuß und Segen sinken in den Schoß
Noch ist die Arbeit des Besitztums Beute
der Mammon gilt für Ehr´ und für Gesetz
noch jagt der frommen Heuchler schwarze Meute
die blinde Menschheit in der Arglist Netz
Drum, Arme, woll Ihr Euere Qual vergessen
in eines Festes kurzem Traumgefühl –
Lernt Eures Elends ganze Tief ermessen
und dann der Völkerzukunft gold´nes Ziel!
Auch deiner Feierstunden Spiel und Sang
veredl´ und heilige ein ernst Beteuern
Euch zu erlösen aus dem großen Drang
so, Mann der Arbeit, sollst du Feste feiern
Willst du der Dichtkunst süßen Rhythmen lauschen
hör´ auf der neuen Weltpropheten Lied
draus dir Begeisterung, Trost und Freude rauschen
der Tag der Zukunft dir entgegenglüht!-
Willst du dich aufwärts schwingen im Gesange
stimm an das hohe Lied der neuen Welt
Der Freiheit Gleichheit , Liebe – daß im Klange
die Brust der künft´gen Siege Hoffnung schwellt
Laß blut´ger heldentaten Begehrlichkeit
und Stoßgebete deine Feinde leiern
du jauchz das Frühlingslied der neuen Zeit
So, Mann der Arbeit, sollst du Feste feiern!
Und willst du tanzen? – Laß die Polonaisen
Quadrillen a la cour der Despotie
den Mammonspriestern laß die Cancaneusen
und das Ballett der Muckerkoterie
Du walze flott im Tanz der Zeit von dannen
den Flügelschritt wird dir kein Taktstock bannen
Ha! Strauchle nicht! Rückblicken bringt Gefahr
Vorwärts, bis sich die Sonne mag entschleiern
Wenn Erd´ und Himmel wieder licht und klar
dann magst von deinem Freiheitstanz du feiern
Und wollt ihr Umzug halten durch die Straßen
so treten Mann an Mann gedrängt heraus
Doch laßt das prahlerische Trommeln, Blasen
und Pfeifen und den Fahnenschmuck zu Haus
Ihr habt nichts mit Paradepomp zu schaffen
wie Wetterschwüle stumm sei euer Zug
Ihr braucht nicht dro´h´nde Worte, braucht nicht Waffen
scheu blickt die Tyrannei, wie Wald und Flur
zum Wolkenhimmel aufstarrt vor Gewittern
sie kennt euch wohl – und euer Anblick nur
macht ihr das Herz im Leibe schon erzittern
Und wenn bei euren Festen auch begeistert
der Strom der Rede mächtig überschillt
daß er ihn kühner Flut euch übermeistert
so huldigt nur der Freiheit Götterbild
Treibt keinen Götzendienst mit großen Namen
undfehlbar keines Einzeln´ Lehren preist
Was sind sie als die auserwählten Rahmen
die wiederspiegeln nur des Volkes Geist
Drum nicht ans Glas zu Lobtoasten fassen
laß das den Kriegsruhmschreiern, Weihrauchstreuern
wir müssen die Gesamtheit leben lassen
so, Mann der Arbeit, sollst du Feste feiern!
Text: Karl Weiser –
ohne Melodie – im Anhang von
Max Kegel : Sozialdemokratisches Liederbuch von 1896, Seite 114