Weint mit mir ihr nächtlichen stillen Haine
zürnet nicht, ihr modernden Gebeine
wenn ich euch in eurer Ruhe stör
Denn es ruht allhier in eurer Mitte
sanft und still ein Mädchen voller Güte
ach von ihr getrennt zu sein ist schwer
Sie versprach mir nächtlich zu erscheinen
Sich mit mir ein wenig zu vereinen
Wenn die bange Geisterstunde schlägt
Zwölfe schlug vom Kirchturm es hernieder
Matt und schwach sind alle meine Glieder
Einsam steh ich noch vor ihrer Gruft
Horch was rauscht dort an der Kirchhofsmauer
Ängstlich steigts herauf in stiller Trauer
Immer näher kommt es auf mich zu
Ganz schneeweiß mit einem Totenkleide
Schön geziert mit himmlischem Geschmeide
Ach wenns doch nur Wilhelmine wär
„Ja, ich bins!“, sprach sie mit leiser Stimme
Deine vielgeliebte Wilhelmine
Die dich einsam jetzt besuchet hat
Blick hinab wie schauerlich und düster
Schrecklich hausen hier der Verwesung Geister
Flieh von mir, bis dich der Tod einst ruft
Schon so frühe soll ich dich verlassen
Dürft ich dich denn gar nicht mehr umfassen
O so schlummre sanft in deiner Gruft
Steig hinab in deine Totenkammer
Mach mir Platz denn mich verzehrt der Jammer
Morgen morgen bin ich schon bei dir
Text und Musik: Verfasser unbekannt
in Volkstümliche Lieder der Deutschen, 1895
So wurde das Lied, das am Ende des 18 Jahrhunderts entstand, noch um 1880 im Nassauischen und Oberhessen gesungen. Ähnlich in Ostpreußen bis 1870 gehört. (s. Frischbier, Ostpreuß VL 1893 Einl). Auch im Elsaß, in geschriebenen Liederheften 1882-84 gefunden. Der Schluß auch so:
Lebet wohl ihr Schwestern und ihr Brüder
Nach dem Tode sehen wir uns wieder
Dort wo uns auf ewig nichts mehr trennt