Weh es tönt im Lande überall (Keine Willkürherrschaft)

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Weh! es tönt im Lande überall
Fast nur trüber Klagen Widerhall
eine feile Dirne aus dem Norden
ist bei uns zur Gräfin schnell geworden
Alles ruft zum Gott des Lichts
Weh! die Gräfin lässt uns nichts

Aller Wohlstand sank ins düstre Grab
uns bedrohend mit dem Bettelstab
Denn die Ortlöpp, die hereingezogen
hat das Blut, das Mark uns ausgesogen
Alles seufzt zum Gott des Lichts:
Weh! die Otter lässt uns nichts!

Fürst und Volk hat schmählich sie entzweit
und zu all den Ränken, all dem Leid
Von dem Blutgeld, jenen Millionen
wusst mit achten sie sich selbst zu lohnen!
Alles klagt zum Gott des Lichts
Weh! die Natter lässt uns nichts

Vor der glatten Schlange gift´gem Biß
floh die Landesmutter; auch entriss
uns die Hyder bald des Thrones Erben
Dem sie längst geschworen Gift, Verderben
Alles klagt zum Gott des Lichts
Weh! der Lindwurm lässt uns nichts

Noch nicht ist ans Tageslicht gebracht,
Noch ist eingehüllt in dunkle Nacht
Die Verschwörungs-Schandtat. Sollte bringen
tiefer ihr den Fürsten in die Schlingen.
Alles ruft zum Gott des Lichts:
Weh! der Drache lässt uns nichts

Alles sollte vor ihr kriechen nur
denn die Schlange sieht darin Natur
und zum Hohn dem besseren Geschlechte
krochen um den Thron bald nichts als Knechte
Alles ruft zum Gott des Lichts:
Weh! der Unhold läßt uns nichts!

Nur die Fürstenkrone, die nur noch
Wollt die Gräfin — doch die hing zu hoch!
und ward nicht erkauft durch goldne Tonnen
nicht durch Krankheit, Reisen, schlau ersonnen
Und umsonst der teure Witz
Sie blieb Gräfin Lessonitz

Dadurch doch hat´s Blättchen sich gewandt
jetzt folgt ihr der Rachegöttin Hand
und sie wird der Strenge nicht entfliehen
Mag sie auch nach fernem Böhmen ziehen
Alles sagt nun, jubelt, spricht:
Gott der Herr verläßt uns nicht

Doch die Knechte alle, welche ihr
beigestanden in der Aussauggier
Fluch den scheußlich blut´gen Eiterbeulen
diesen Kreaturen, diesen Feilen!
Fort, du otterhaft Gezücht
Fort mit dir zum Hochgericht!

Nur durch kühne, kräft´ge Männertat
haben wir aus Schlangenlist, Verrat
wiederum den Fürsten uns gewonnen
dass wir uns hinfürder mögen sonnen
In der Freiheit gold´nem Licht
Unser Recht verließ uns nicht

Nun wird aufgehn eine schön´re Zeit
die des Rechtes, der Gerechtigkeit
Dass des Landes Wohlfahrt sich herstelle
nahen weise Männer Thrones Schwelle
Wo ihr Mund versöhnend spricht:
Willkürherrschaft fürder nicht!

Text und Musik: Verfasser unbekannt aus Hessen – 14. September 1830 aufgezeichnet –
in: Ditfurth , Histor. 1815-1886,. Nr. 22.  „Handschrift aus jener Zeit“ , Im DVA sonst unbekannt – Ditfurth gibt als Überschrift : „Läßt uns nichts. Ein hessisches Volkslied. 14. Sept. 1830“  , zitiert nach Steinitz II (1962)

Liederthema:
Liederzeit: vor 1830 : Zeitraum:
Orte: ,

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Anmerkungen zu "Weh es tönt im Lande überall (Keine Willkürherrschaft)"

„Die Kurfürsten von Hessen waren durch ihre Maitressenwirtschaft, Ihren Soldatenhandel und die Aussäugung ihres Landes seit dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts in Deutschland besonders berüchtigt. Auch das Lied „Man gab uns viele schöne Wort“ ist gegen sie gerichtet. Unser Lied, das sich zwar gegen die Maitresse, aber nicht gegen den für die Maitressenwirtschaft Verantwortlichen, den Fürsten, empört, .zeigt eine weichliche Untertanengesinnung; vgl. Str. 10 und 11 „Haben wir den Fürsten uns gewonnen“ … „Nahen weise Männer Thrones Schwelle“. Ich habe es hier aufgenommen, da es eine, wenn auch politisch sehr unklare, Volksbewegung des Jahres 1830 widerspiegelt und einen klaren Schlußvers zeigt: Willkürherrschaft fürder nicht!“ (Wolfgang Steinitz)

„Strophe 24 über das Reichs-Johannlein zeigt, daß diese Fassung (aus einem undatierten Druck) von 1848/49 stammt: es handelt sich um den von der Frankfurter  Nationalversammlung am 29. Juni 1848, gegen die 112 Stimmen der republikanischen Linken, zum Reichsverweser gewählten Erzherzog Johann von Österreich .Das Lied selbst stammt aus der Vormärzzeit und ist… wohl kurz vor dem Hambacher Fest von 1832 entstanden. Die Schärfe des Textes und die schwere Verfolgung des Liedes durch das Metternichsystem … verursachten, dass das Lied nur selten im Druck erschien.“ (Wolfgang Steinitz)

Abweichungen im Text

Dadurch doch hat´s Blättchen sich gewandt,
jetzt folgt ihr der Rachegöttin Hand,
Und sie wird der Strenge nicht entfliehen,
Mag sie auch nach fernem Böhmen ziehen,
Alles sagt nun, jubelt, spricht:
Gott der Herr verläßt uns nicht!