Wann, o Schicksal, wann wird endlich
mir mein letzter Wunsch gewährt
Nur ein Hüttchen, still und ländlich
Nur ein kleiner, eigner Herd
Und ein Freund, bewährt und weise
Freiheit, Heiterkeit und Ruh
Ach und Sie! das seuf ich leise
Zur Gefährtin Sie dazu
Wenn ich noch ein Gärtchen hätte
Bauten wir mit eigner Hand
Statt geschorener Boskette
Und der Hagebuchenwand
Dämmert uns ein Dach von Latten
Dicht mit Rebengrün bedeckt
Tief im Silbertannen – Schatten
Vor des Neides Blick versteckt
Statt Kanäl und Gartenteiche
Nur ein Röhrenbrunnen-Trog
Statt Alleen und Tarussträuche
Früchte die ich selbst erzog
Durch ein Gatter, nur von Pfählen
Durch den Vorhof, eng und klein
Eilt ich, statt nach Marmorsälen
In ihr trautes Kämmerlein
Bei des heitern Morgens Frische
Hörten wir im Buchenhain
Dort am Wasser im Gebüsche
Nachtigallen – Melodein
Auch begänne sie Gesänge
Wäre Philomel entflohn
Und in meine Seele dränge
Tiefer noch ihr süßer Ton
Unter’m Strauch voll Hagerosen
Auf dem rothbeblümten Klee
Könnten wir so traulich kosen
Wie auf seidnem Kanapee
In dem Duft entblühter Bohnen
Unter Pappeln, hoch und schlank
Bauten wir, trotz goldnen Thronen
Eine kleine Bretterbank
Beeren, die ihr Finger drückte
Honig, der der Wab entfloß
Kräuter, die vom Beet sie pflückte
Milch, die sie in Schalen goß
Ha! bei solchem Göttermahle
Säßen wir, wie froh, wie stolz!
Wär auch Löffel, Kelch und Schale,
Nur aus weißem Buchenholz
Mit den holden Dörferinnen
Nach der Weidenpfeife Schall
Einen Maientanz beginnen
Gilt uns mehr als Maskenball
Lieber, als der Prunk der Bühnen
Dem verwöhnten Städterschwarm
Wär ein Pfänderspiel im Grünen
Mir an meines Mädchens Arm
In gestirnten Sommernächten
Wenn der Mond die Schatten hellt
Wallte sie an meiner Rechten
Durch das taubeträufte Feld.
Oft zum milden Abendsterne
Hüb ich den entzückten Blick
Oefters senkt´ ich ihn, wie gerne!
Auf ihr blaues Aug zurück
Vieles wünscht ich sonst vergebens
Jetzo nur zum letztenmal
Für den Abend meines Lebens
irgendwo ein Friedensthal
Edle Muß in eigner Wohnung
Und ein Weib voll Zärtlichkeit
Das, der Treue zur Belohnung
Auf mein Grab ein Veilchen streut
Text: von Johann Gaudenz Freiherr von Salis-Seewis (1762-1834) ( Letzter Wunsch ), zuerst in: Voßischer Musenalmanach für 1791
Musik: Johann Friedrich Reichardt (1752-1814) , „Wann, o Schicksal, wann wird endlich“, 1800, Lieder aus dem Liederspiel : Lieb und Treue, no. 5. , ebenfalls vertont von, August Pohlenz (1790-1843) , „Wann, o Schicksal, wann wird endlich“, op. 4 (Gesänge mit Begleitung des Pianoforte) no. 3 (1824) , Leipzig : Auf Kosten des Verlegers , ebenfalls vaußerdem von Emilie Zumsteeg (1796-1857) , „Letzter Wunsch“
in: Die Volkslieder der Deutschen (1834) — Als der Großvater die Großmutetr nahm (1885) —