Merkwürdig ist, daß von dem ursprünglichen „Gaudeamus Igitur„, wie es oben mitgeteilt ist, die erste Strophe einem lateinischen Kirchengesange nachgebildet, die zweite und dritte aber einem 1267 gedichteten Bußliede so gut wie wörtlich entlehnt ist.
Edélstand du Méril teilt in seinen „Poésies populaires latines du moyen áge“ Paris 1847, auf S. 125 aus einer aus dem Jahre 1267 datierten Handschrift ein Lied mit, das nahezu wörtlich einige Verse des Gaudeamus enthält ; die 2. Strophe beginnt nämlich:
Vita brevis, brevitas in brevi finietur
mors venit velociter et neminem veretur
und die vierte:
Ubi sunt, qui ante nos in hoc mundo fuere?
Venies ad tumulos, si eos vis videre
Das Lied ist geistlichen Ursprungs und hatte, wie schon aus dem ersten Verse:
Scribere proposui de contemptu mundano
hervorgeht, Betrachtungen über die Hinfälligkeit des Irdischen zum Gegenstand. Es ist von einem Refrain:
Surge surge vigila semper esto paratus
begleitet und hatte demnach jedenfalls die Bestimmung, im Chorus gesungen zu werden. Nach einer Bemerkung Du Méril‘ s ist es in der Handschrift mit Noten versehen; es wäre gewiß interessant, zu erfahren, ob die heutige Melodie des fidelen Trinkliedes Anklänge an die Ursprüngliche des düstern Klageliedes bieten würde.
In Deutscher Liederhort III (1894, Nr. 1688 „Gaudemus Igitur“)