Viel Leute gibt´s in unsern Tagen
die reden von der Turnerei
und, ohne sie darum zu fragen
glaubt man, sie wären mit dabei
Sie pflegen sich in süßer Ruh
verdaun ihr Mahl, wie´s Gras die Kuh
doch ach, sie turnen nicht, sie turnen nicht
Die Advokaten und Juristen
sie führe ich zunächst hier an
ob Juden sie sind oder Christen
sie stellen uns nur wen´ge Mann
Sie reden viel von Recht und Pflicht
und halten über uns Gericht
doch ach, sie turnen nicht, sie turnen nicht
Auch muß ich hier die Ärzte nennen
Gesundheit ist ihr Feldgeschrei
sie, die ein Heer von Übeln kennen
das Schuld an unsern Leiden sei
Sie reden von Epidemie
Desinfektion, Orthopädie
doch ach, sie turnen nicht, sie turnen nicht
Die wichtigen Herren von der Feder
die schmieren Akten ohne Ruh
ihr Sitzfleisch wird so hart wie Leder
und krümm ihr Rücken noch dazu
Sie gehn spazieren auf den Wall
und segeln auch vielleicht einmal
doch ach, sie turnen nicht, sie turnen nicht
Wohl manche noch, die Röcke nähen
die Stiefel machen oder Schuh
an Hobelbank und Ambos stehen
wen ich vergaß, nehmt ihn dazu
sie leben wie ihr Großpapa
bewegen Bein und Arme, ja
doch ach, sie turnen nicht, sie turnen nicht
Doch halt! Wie dürft ihr sie vergessen
die flotten Söhne des Merkur
Wer könnte sich mit ihnen messen
mit ihnen sich vergleichen nur
Denn die Kommis der Gegenwart
sind Menschen von besonderer Art
doch ach, sie turnen nicht, sie turnen nicht
Sie gehn mit glasbeklemmter Nase
Beredensarten alles nur
und suchen, sitzend beim Bierglase
der Kellnerinnen Rosenspur
Ob Düten- oder Ellen-Mann
das sieht man sogleich jedem an
doch ach, den Turner nicht, den Turner nicht
Nun endlich komm ich an die Pfaffen
an unsere schwarze Klerisei
im Dunkeln nur sieht man sie schaffen
und nicht frisch, fröhlich, fromm und frei
Sie essen gut und trinken auch
und haben einen feisten Bauch
das macht, sie turnen nicht, sie turnen nicht
Drum auf, ihr Männer aller Stände
so weit die deutsche Zunge klingt
kommt, reicht zum Turnen euch die Hände
und klettert, laufet, schwingt und springt
Dann endlich kommt die goldne Zeit
der wir entgegenjubeln heut
Wo jeder Turner ist, ja Turner ist
Text: Verfasser unbekannt
Musik: nach der Melodie Krambambuli
in Der freie Turner – 1913