Unsre Wiesen grünen wieder
Blumen duften überall
laut ertönen Finkenlieder
lieblich schlägt die Nachtigall
Hell wie Gold und Purpur strahlet
Lichter Maienwölkchensaum
und der holde Frühling malet
weiß und rot den Apfelbaum
Veilchen, eben aufgegangen
hüllet er in dunkles Laub
läßt Aurikeln farbig prangen
pudert sie mit Silberstaub
Sieh! Das Maienglöckchen blicket
aus dem breiten Blatt hervor
und die Gartenbeete schmücket
blauer Hyazinthen Flor
Auf dem zarten Stengel wanken
Tulpenkelche, rot und gelb
und des Geißblattes junge Ranken
weben schon ihr Laubgewölb
Alle Zweigen werden grüner
streuen Blüten um sich hin
jeder Schäfer wird itzt kühner
sanfter jede Schäferin
Hohe Wonn´ und süßen Schauer
fühlet, wer noch fühlen kann
Liebe säuselt uns in lauer
Lüfte leisem Odem an
Liebe brütet im Gesträuche
girrt im Nachtigallgebüsch
spielt mit Enten auf dem Teiche
schwimmt im Spiegelbach im Fisch
Freude, namenloses Klopfen
schwillt und füllt auch meine Brust
kostet´ ich auch ein Tropfen
aus den Strömen ihrer Lust?
Jugend, dich will ich genießen
eh ich dich entbehren muß
Liebe reizt mich noch zum Küssen
Frühling ladet zum Genuß
Aber, schnellverstoßen ,kehret
dieser Frühling nie zurück
selbst der Lenz des Lebens währet
einen kurzen Augenblick
Unsrer Jugend Tage fliehen
unsre Blüte welket ab
und die bunten Blumen blühen
bald ach bald auf unserm Grab
Text: von Salis-Seewis , zuerst im Voßischen Musenalmanach von 1787
Diese Ode an die Jugend und die Liebe wurde später vom Autor verändert und gekürzt – es existiert eine geistliche Version.
in Als der Großvater die Großmutter nahm (1885) 1787