Kaum zählt ein Mädchen sechzehn Jahre
So ist sie schon vor Liebe blind,
Die Jungfernschaft liegt auf der Bahre
Bald lacht, bald weint das schöne Kind.
Sie lacht vor Lust und weint vor Kummer
Wenn ihr das Glück der Liebe fehlt
Das sie sogar des Nachts im Schlummer
Mit unverschämten Träumen quält
Vertraut mir ja kein solch Geschöpfe
Zu meiner Oberaufsicht an,
Weil man zwölf wilde Pferdeköpfe
Viel eh’r im Zaume halten kann.
Ein Löwe bleibt in seinem Gatter
Den Adler schließt der Käfig ein,
Jedoch dergleichen junge Natter
Wird schwer damit zu zähmen sein
Nehmt Bänder, Stricke, Stahl und Kette
Verwahrt sie an ein Ankertau
Ja, schmiedet sie sogar ans Bette
Sie ist auch dennoch viel zu schlau
Im Auge trägt sie scharfe Blitze
Und Donnerkeile in der Hand
Von derer großen Herzenshitze
Hält Kett‘ und Stahl nicht Widerstand
Gebt ihr mir etwas zu verwahren
So gebt mir einen Sack voll Flöh
Da will ich keine Mühe sparen,
Daß keiner fort spazieren geh
Setzt einen Topf voll Milch ans Feuer
Die zu Kaffee und Tee gehört
So ist mir keine Müh‘ zu teuer
Die ihr das überlaufen wehrt
So gern auch alte Weiber plappern
Doch stopf ich ihnen leicht den Mund
Dem Storch verbiet‘ ich eh’r das Klappern
Und das Gebell dem Kettenhund
Eh‘ will ich Vögel schwimmen lehren
Und Fische auf den Bäumen stehn
Als einem schönen Kinde wehren
Nach Männerhosen umzusehn
Ein Mädchen ist ein Beet voll Nelken
Da setzt sich leicht ein Bienenschwarm
Die Rose will nicht gern verwelken
Sie wird erst in den Händen warm
Ein Mädchen ist wie ’n Pulverkasten
Den ein geringer Funke sprengt
Ein Schloß, daß jeder will betasten
Weil dicht dabei der Schlüssel hängt
Wer kann bei so gestalten Sachen
Für eine Jungfer Bürge sein?
Wer unaufhörlich sollte wachen
Müßt härter sein als Marmorstein
Selbst hundert Augen sind betrogen
Wenn solchem Kind die Liebe sticht
Dies alles, dies hat mich bewogen,
Zu trauen keinem Mädchen nicht.
Text und Musik: Verfasser unbekannt.
aus der Crailsheimer Liederhandschrift (um 1750)