Sohn, da hast du meinen Speer!
meinem Arm wird er zu schwer.
Nimm den Schild und dies Geschoss!
Tummle du hinfort mein Ross!
Siehe, dies nun weisse Haar
deckt der Helm schon fünfzig Jahr‘;
Jedes Jahr hat eine Schlacht
Schwert und Streitaxt stumpf gemacht.
Herzog Rudolf hat dies Schwert
Axt und Kolbe mir verehrt;
denn ich blieb dem Herzog hold
und verschmähte Heinrichs Sold
Für die Freiheit floss das Blut
seiner Rechten; Rudolfs Mut
tat mit seiner linken Hand
noch dem Franken Widerstand.
Nimm die Wehr und wappne dich!
Kaiser Konrad rüstet sich.
Sohn, entlaste mich des Harms
ob der Schwäche meines Arms.
Zücke nie umsonst das Schwert!
Für der Väter freien Herd
sei behutsam auf der Wacht!
Sei ein Wetter in der Schlacht!
Immer sei zum Kampf bereit!
Suche stets den wärmsten Streit!
Schone des, der wehrlos fleht
haue den, der widersteht!
Wenn dein Haufe wankend steht
ihm umsonst das Fähnlein weht,
trotze dann, ein fester Turm
der vereinten Feinde Sturm!
Deine Brüder frass das Schwert
Sieben Knaben Deutschlands wert;
deine Mutter härmte sich
stumm und starrend, und verblich
Einsam bin ich nun und schwach:
aber, Knabe, deine Schmach
wär mir herber tausendmal
denn der sieben andern Fall
Drum, so scheue nicht den Tod
und vertraue deinem Gott!
So du kämpfest ritterlich
freut dein alter Vater sich!
Text: Friedrich Leopold Graf zu Stolberg (1774)
Musik: mehrfach vertont: a) Verfasser unbekannt (1795) — b) Conradin Kreutzer (1774) — c) J. F. Reichardt (1775) — d) Friedrich Wilhelm Rust (1796) — e) Georg August Grieshammer.
Noch um 1900 in vielen Schulheften anzutreffen. Der Text als „Lied eines alten schwäbischen Ritters an seinen Sohn“ aus dem 12. Jahrhundert bezeichnet zuerst in: Wandsbecker Bote (1774), dann in: Göttinger Musenalmanach (1775). Siehe auch die Parodie aus Berlin von 1857: Sohn da hast du Rippenspeer