Sich empfehlend den Genossen
Für die nächste Reichtagswahl
Saßen viele deutsche Sozi
Jüngst bei Sklarz im Speisesaal
Grinsend rief der dicke Ebert
Von dem Präsidentensitz
An mein Volk! Du hältst die Schnauze!
Und gleich schrie man: Bravo, Fritz!
Scheidemann, der mit der Glatze
Sprach in überlegnem Ton
Ich erwürgt zwar nicht die Feinde
Doch die Revolution!
Dann erhob sich Parvus-Helphand
Und begehrt’ das höchste Lob
Weil im ganzen Land kein Schieber
Soviel in die Tasche schob
Erhard Auer sprach aus München
Ich bin meines Siegs gewiß
Mir bestätigt Lindners Kugel
Daß ich Bayerns Volk beschiß
Aber plötzlich ward es stille
Noske ballte seine Faust
Und es rollten seine Augen
Daß es den Genossen graust
Und rief: Euch lobt der Bürger
Denn ihr meint’s ja alle gut
Aber hier, seht meine Hände
Jeder Finger trieft von Blut
Ruhe, Sicherheit und Ordnung
Tun dem Kapitale not
Fünfzehntausend Proletarier
Schlugen meine Garden tot
Stürmisch schrieen: Prosit Noske!
Ebert, Parvus, Scheidemann
Bauer, David, Landsberg, Heine
Stießen mit dem Sektglas an
Heil Dir, Justav, Held und Sieger
Dir verneigen wir uns stumm
Wir betrügen unser Volk nur
Aber Du, Du bringst es um!
Text: Erich Mühsam – Das neue Deutschland – Verfaßt in der Festungsanstalt Ansbach im Dezember 1919
Melodie: Preisend mit viel schönen Reden
Zur Geschichte dieses Liedes:
Versionen, Parodien und Nachdichtungen: :
Liederthema: Politische Lieder
Liederzeit vor 1919 - Zeitraum: 1918-1921 Deutsche Revolution
Stichwort: Orte: Ansbach
Geschichte dieses Liedes: Rinaldo Rinaldini
Anmerkungen:
Die Brüder Sklarz hatten während des Weltkriegs den Reichsbehörden Wege erschlossen, auf denen unter Umgehung der Entente-Blockade Lebensmittel und Rohstoffe aus Skandinavien nach Deutschland gelangten. Ihre Beziehungen zu Regierungskreisen und Behörden überdauerten die Revolutionszeit. So hatte Georg Sklarz mit von Ebert und Scheidemann unterzeichneten Vollmachten die an der Jahreswende 1918/19 zum Schutz des Regierungsviertels eingesetzten Truppen aus eigenen Mitteln vorschußweise besoldet und verpflegt.
Als im November 1919 unseriöse Geschäftspraktiken und Transaktionen der Brüder Sklarz wahrscheinlich von SPD- und USPD-Anhängern aufgedeckt wurden, schienen auch führende Sozialdemokraten, namentlich Ebert, Scheidemann und Noske, durch den sich anbahnenden Skandal kompromittiert. Vom SPD-Parteiausschuß wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt; von der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin wird ein Ermittlungsverfahren gegen Georg Sklarz eingeleitet (Materialien zum Fall Sklarz in: R 43 I/1239).