Sei uns gegrüßt, du holde Freiheit
Zu dir ertönt froh der Gesang
Du zerschlägst das Joch der Bezwinger
Und erhebst aus Elend in Heil
Du erhebst aus Elend in Heil
Uns zu erneun, kehrst du vom Himmel
Längst deinen Geweihten ersehnt
Was hemmet ihr, Bezwinger, noch
In verschworner Wut die Erneuung?
Mit Waffen in den Kampf
Für Freiheit und Gesetz!
Naht, Bürger, naht!
Bebt, Mietlingsschwarm!
Entfliehet oder sterbt!
Wir nahn, wir nahn!
Bebt, Mietlingsschwarm!
Entfliehet oder sterbt!
Oh, wie betäubt von Todesschlummer
Wie gar entmenscht starrte der Mensch
Du berührst ihn sanft, er erwachet
Und vertraut sich, denket und fühlt
Er vertraut sich, denket und fühlt
Ihr, die zum Vieh Menschen entwürdigt
Unmenschen, ihr trotzet noch jetzt?
Ihr straft, wo ein Gedank ertönt
Und erzwingt fühllosen Gehorsam
Mit Waffen in den Kampf
Für Freiheit und Gesetz!
Naht, Bürger, naht …
In der Befehdung wüstem Alter
Habt ihr des Volks Kette gefügt
Mit berittnen Horden bezwangt ihr
Was Betrieb und Künste gebaut
In Gefild und Städten gebaut
Wie ihr das Volk, banden den Landmann
Leibeigen sich Ritter und Knapp
Ihr weigert die Erlösung noch?
Ihr verstärkt die Kette der Knechtschaft?
Mit Waffen in den Kampf
Für Freiheit und Gesetz!
Naht, Bürger, naht …
Nur des Berittnen weicher Enkel
Ist von Geburt edel und klug
Ihm allein wird alle Verwaltung
Das Geschäft nicht, aber die Macht
Das Geschäft nicht, aber die Macht
In dem Gepräng eiteler Torheit
Mißhandelt er Geist und Verdienst
Kaum schützet noch ein Titelschall
Und des Bürgers Namen ist Schmähung
Mit Waffen in den Kampf
Für Freiheit und Gesetz!
Naht, Bürger, naht …
Wie das Gezücht unnützer Hummeln
Euch den Ertrag, Bienen, entrafft
So verschwelgt des Landes Gemeingut
Der gebornen Höflinge Schwarm
Von Geburt schon edel und klug
Und es erwächst Schuld und Beschatzung
Weitwuchernder Üppigkeit Frucht
Für Haupt wird da gesteurt und Brot
Und die Witwe weint mit den Waisen
Mit Waffen in den Kampf
Für Freiheit und Gesetz!
Naht, Bürger, naht …
Wann hat gemeines Wohls Empfindung
Euch in der Brust, Edle! geglüht?
Unerzogen selbst, nur gebildet
Auch dem Volk versperrt ihr das Licht
Auch dem Volk das heilige Licht
Und es erträgt Raub des Gewildes
Hetzgeißel und Jäger und Hund
Die Saaten, die es kaum geschirmt
Die zerstampft ihm tobende Rennjagd
Mit Waffen in den Kampf
Für Freiheit und Gesetz!
Naht, Bürger, naht …
Und es erträgt zahllose Heere
Die wie der Feind lasten und drohn
Nur genährt zum Dienste der Willkür
Dem Gewerb und Pfluge geraubt
O dem Greis und Kinde geraubt
Und es erträgt Kriege des Thrones
Arglisten und Launen ein Spiel
Und, Jammer! an ein fremdes Volk
Wird verkauft sein Blut von der Habsucht
Mit Waffen in den Kampf
Für Freiheit und Gesetz!
Naht, Bürger, naht …
O du Beherrscher, sei uns Vater
Und dir gehorcht kindlich das Volk
Die Erfahrnen hör und die Guten
Die das Volk dir sendet zum Rat
Zu dem treuvorsorgenden Rat
Es sei geehrt Fleiß nur und Tugend
Wohltätiger Eifer und Geist
Doch nährst du der Gebornen Stolz
Und erstickst die Rufe der Menschheit
Mit Waffen in den Kampf,
Für Freiheit und Gesetz!
Naht, Bürger, naht!
Bebt, Mietlingsschwarm!
Entfliehet oder sterbt!
Wir nahn, wir nahn!
Bebt, Mietlingsschwarm!
Entfliehet oder sterbt!
Text: Nachdichtung der Marseillaise von Johann Heinrich Voß (1792)
in Volkstümliche Lieder der Deutschen 1895 (nur 1. Strophe)