Schwermutsvoll und dumpfig hallt Geläute
Vom bemoosten Kirchenturm herab
Väter weinen Kinder Mütter Bräute
Und der Todtengräber gräbt ein Grab
Angethan mit einem Sterbekleide
Eine Blumenkron im blonden Haar
Schlummert Röschen so der Mutter Freude
so der Stolz des Dorfes war
Ihre Lieben voll des Mißgeschickes
Denken nicht an Pfänderspiel und Tanz
stehn am Sarge winden nasses Blickes
Ihrer Freundin einen Totenkranz
Ach kein Mädchen war der Tränen werter
Als du gutes frommes Mädchen bist
Und Im Himmel ist kein Geist verklärter
Als die Seele Röschens ist
Wie ein Engel stand im Schäferkleide
Sie vor ihrer kleinen Hüttentür
Wiesenblumen waren ihr Geschmeide
Und ein Veilchen ihres Busens Zier
Ihre Fächer waren Zephirs Flügel
Und der Morgenhain ihr Putzgemach
Diese Silberquellen ihre Spiegel
Ihre Schminke dieser Bach
Einsamkeit umgoß wie Mondenschimmer
Ihre Rosenwangen ihren Blick
Nimmer wich der Seraph Unschuld, nimmer
von der holden Schäferin zurück
Jünglingsblicke taumelten voll Feuer
Nach dem Reiz des lieben Mädchens hin
Aber keiner als ihr Vielgetreuer
rührte jemals ihren Sinn
Keiner als ihr Wilhelm ! Frühlingsweihe
rlef die Edeln ln den Buchenhain
Angeblinkt von Maienhimmelsbläue
Flogen sie den deutschen Ringelreihn
Röschen gab ihm Bänder mancher Farbe
Kam die Ernt an seinen Schnitterhut
Saß mit ihm auf einer Weizengarbe
lächelt ihm zur Arbeit Mut
Band den Weizen, welchen Wilhelm mähte
Band und äugelt ihrem Liebling nach
Bis die Kühlung kam und Abendröte
Durch die falben Westgewölke brach
Über alles war ihm Röschen teuer
War sein Taggedanke, war sein Traum
Wie sich Röschen liebten und ihr Treuer
Lieben sich die Engel kaum
Wilhelm! Wjlhelm! Sterbeglocken hallen
Und die Grabgesänge heben an
Schwarzbeflorte Trauerleute wallen
Und die Totenkrone weht voran
Wilhelm wankt mit seinem Liederbuche
Nassen Auges an das offne Grab
Trocknet mit dem weissen Leichentuche
sich die hellen Tränen ab
Schlummre sanft du gute fromme Seele
Bis auf ewig dieser Schlummer flieht
Wein auf ihrem Hügel Philomele
Um die Dämmerung ein Sterbelied
Weht wie Harfenlispel, Abendwinde
Durch die Blumen die ihr Grab gebar
Und im Wipfel dieser Kirchhoflinde
nist´ ein Turteltaubenpaar
Text: Ludwig Christoph Heinrich Hölty (1775)
zuerst in Göttinger Musenalmanach für 1775
in Als der Großvater die Großmutter nahm (1885)