O hört auf mich noch jungen Mann (Abschied im Kerker)

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O hört auf mich noch jungen Mann!
Seht, was aus mir geworden!
Nehmt, Menschen, dieses Denkmal an
Und hütet euch vor Morden.

Vor allen Dingen fürchtet Gott
Und folget den Gesetzen!
Besonders dem, wo er verbot
Den Menschen zu verletzen

Ach, Freunde! hätt‘ ich dies getan
So wär‘ ich frei von Ketten
Jetzt höret mein Vergehen an.
Kein Weinen kann mich retten

Ich liebte hier ein Mädchen frei
Schon über viele Jahre
Das Kind schwur mir die ew’ge Treu
Bis zu der Totenbahre

Sie war’s, die lang für mich gesorgt
Mit Geld und andern Dingen
Die mir wohl hundertmal geborgt. —
Ach! Bräucht‘ ich dies nicht singen!

Und ich trug kein Bedenken nicht
Sie boshaft zu entleiben. —
Ach Gott! Wer mag die Mordgeschicht
Recht schaudervoll beschreiben?

Mich reizte bloßer Überdruß
Zum schändlichsten Verbrechen.
Ich faßte letztlich den Entschluß:
Die Arme zu erstechen

Ein Boden — heimlich war der Ort —
Sie mußte mit mir gehen.
Ich sprach zu ihr: »Wir wollen dort
Nach einem Koffer sehen.«

Sie kniete kaum vor selben da
Hier war der Untat Stelle
Und ehe sie’s noch recht versah
Stach ich sie durch die Kehle.

(Hier wurden einige Strophen von der Zensur der Wiener Polizeibehörde getilgt.)

Zwar schien sie mir jetzt gut versteckt
Gott läßt nicht mit sich scherzen
Denn bald wurd‘ diese Tat entdeckt
Zu meinen größten Schmerzen

Wer hätte dieses je geglaubt?
Verstellt tat ich sie lieben —
Durch mich ermordet — und — beraubt.
Ach, wär‘ es unterblieben!

Nun wird mich die Gerechtigkeit
Nach dem Gesetz bestrafen.
Ich schliff ja selber vor der Zeit
Des Henkersknechtes Waffen.

O nehmet dieses Beispiel an!
Laßt euch durch selbes rühren.
Es lasse sich ja jedermann
Zur Untat nicht verführen

Text und Musik: Verfasser unbekannt – „Abschied eines reuevollen Sünders im Kerker“
Bänkelsängerlied aus Wien, 1786

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