Nun wollen wir aber heben an (Sendlinger Bauernschlacht)

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Nun wollen wir aber heben an
Von einer Christnacht melden
Aus den Bergen ziehn gen München heran
Fünftausend mannliche Helden

Der Gemsbart und der Spielhahnschweis
Sind drohend gerückt nach vorne
An ihren Bärten klirrt der Reis
Ihr Auge glüht vor Zorne

Sie schwenken die Sense, die Keule,  das Schwert
Fünfhundert sind mit Büchsen bewehrt
Und wie die Schneelahn wächst die Schar
Von den Bergen rollend im Monde klar
Ein Fähnlein himmelblau und weiß
Trägt vor dem Zug ein riesiger Greis
Das ist der stärkste Mann des Lands
Der Schmied von Kochel, der Meier Hans
Von seinen Söhnen sieben
ist keiner zu Haus geblieben

O Churfürst Max Emanuel
Wir müssen´s bitter klagen
Daß du für Habsburg Leib und Seel
So oft zu Markt getragen
Du Belgradstürmer, du Mohrentod
Du mußtest in´s Elend wandern
Und brichst französisch Gnadenbrod
Zu Brüssel jetzt in Flandern
Es irrt dein Weib aus der Landesflucht
Deine Waisen weinen in Feindes Zucht
Gebrandschatzt darben die reichen Gau n
Man sengt die Fluren man schändet die Fraun
Man rädert die Männer um leisen Verdacht
Man reißt die Söhne vom Stroh zu Nacht
Sie nach Ungarn zu trommeln in´s heiße Blei
Das Maß ist voll, es birst entzwei
Drum lieber bayrisch sterben
Als kaiserlich verderben

Auch hat die Münchner Bürgerschaft
Uns einen Brief geschrieben
Daß sie mit ungebrochner Kraft
In Treue fest geblieben
Wenn wir den roten Isarturm
Nach Mitternacht berennten
Erhöben drinnen sich zum Sturm
Die Bürger und Studenten
Denn wie den letzten teuersten Schatz
Vergruben sie am geheimsten Platz
Was ihnen geblieben an Waffen und Wehr
Sie sprechen am Tage sich nimmermehr
Doch tief in den Kellern bei Fackelbrand
Reicht sich die ganze Stadt die Hand
Allnächtens zieht von Haus zu Haus
Ein unterirdisches Gebraus
Ein Lieber bayrisch sterben
Als kaiserlich verderben

Wir klopfen an´s Thor nun laßt uns ein
Da geht von den Wällen ein Blitzen
Und feurigen Tod zum Willkomm spei´n
Gutkaiserliche Haubitzen
Und Straßen aus und Straßen ab
Musketen und Granaten
Wer hat die Landsleut an das Grab
An Oesterreich verraten
Der Pfleger von Starnberg war der Wicht
Mein Lied nenn seinen Namen nicht
Verdammniß und Vergessenheit
Begrab ihn heut und allezeit
Sein Kleid sei gelb sein Haar sei rot
Sein Stammbaum des Ischariot
In Thränen flucht die Bürgerschaft
Ihr blieb keine Klinge kein Rohr kein Schaft
Sie ward in wenig Stunden
Entwaffnet und gebunden

Tech spie die Höll aus dem roten Thurm
Der Landsturm von den Bergen
Er nimmt die Münchner Stadt mit Sturm
Trotz Kaiser Iosephi Schergen
Die Brücke dröhnt die Nacht wird hell
Hie Wirbeln Schreien Knallen
Vom Hurrah Max Emanuel
Die Gassen wiederhallen
Schon ries der Feldmarschall von Wendl
Die Sache nimmt ein schlechtes End
Wo bleibt des Kriechbaum Reiterei
Ich ries sie doch im Flug herbei
Da rasselten über den Brückenkops
Mit rothem Mantel und doppeltem Zopf
Die fremden Schwadronen die Kreuz und die Quer
Von den Wällen schlugen die Bomben schwer
Die Landsleut in der Mitten
Die haben viel hart gestritten

Sie flohen über die Haide breit
Durch tief verschneite Fluren
Im Rücken und an jeder Seit
Kroaten und Panduren
Dort sind wohl ihrer tausend und meh
Unter Rosseshufe gesunken
Und haben den blutigen Weihnachtschnee
Als Wegzehrung getrunken
Ein Friedhof steht am Hügelrand
Den erklommen die Bauern mit Knie und Hand
Aus dem Glatteis ringend im Einzelkampf
Unter Kolbenstoßen im Pulverdampf
Bis von dem Rest der treuen Schar
Der steile Hof erklettert war
Da stieß in ein verschneites Grab
Der greise Schmied den Fahnenstab
Hie lieber bayrisch sterben
Als kaiserlich verderben

Heiß kochte der Schnee die Nacht war lang
Durch’s Knattern der Musketen
Zog sich’s wie Orgel und Glockenklang
Wie fernher wanderndes Beten
Und ein Bauer ein weißes Tuch ausband
Er that´s an der Sense schwenken

Er mußte des Jammers im bergigen Land
Der Witwen und Waisen gedenken
von der Zugspitz bis zum Wendelstein
Nur Sturmgeläut und Feuerschein
Derweil zwischen Hufschlag, Schnee und Blei

Wir fruchtlos fallen vor Hahnenschrei
Wir haben’s verspielt ohne Nutz und Lohn
Drum feindlicher Obrist gib uns Pardon
Daß die Dreihundert die wir noch sind
Heimziehen dürfen zu Weib und Kind
Draus ist unter Blitz und Knallen
Der Sprecher vom Stein gefallen
Da schlossen um’s flammende Gotteshaus
Die Landsleut eine Kette
Und knallten und schrien in die Nacht hinaus
Eine furchtbare Weihnachtmette

Als der Hahn im Dorfe zu krähen begann
War all ihr Blei verschossen
Sie hingen würgend Mann an Mann
Auf den schäumenden Ungarrossen
Und als an die Glocken der Frühwind fuhr
Da stand von den Bauern ein einziger nur D
das war der stärkste Mann des Lands
Der Schmied von Kochel der Meier Hans

Mit einer Keule von Eisenguß
Drosch er sie nieder zu Pferd und Fuß
Doch als die Sonne zur Erde sah
Seine sieben Söhne lagen da
Um’s Fähnlein das zerfetzte
Der Vater war der letzte
Nun tröst euch Gott im Himmelreich
Ihr abgeschiednen Seelen
Es wird von solchem Bauernstreich
Noch Kindes Kind erzählen

Wohl manch ein Mann wohl manch ein Held
Geht um in deutschen Weisen
Wir wollen dem der Treue hält
Vor allen andern preisen
Der trotz Verrat und Hochgericht
Von seinem Wort kein Jota bricht
Jetzt aber sagt wo kehren wir ein
Ich denk heut soll’s in Sendling sein
Vorbei am Friedhof führt die Straß
Da grüßen wir hinter’s verschneite Gras
Hie lieber bayrisch sterben
Als kaiserlich verderben

Die Sendling Bauernschlacht 1705

Text: Hans Demetrius Ritter von Hopfen (geboren 1835 in München , gestorben 19. November 1904 in Groß-Lichterfelde )?
in: Ein Münchner Dichterbuch , herausgegeben von Emanuel Geibel (1862)


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