Nun grüss dich Gott im Herzen
du Auswerwählte mein
Du wendst mir viel der Schmerzen
darzu manch schwere Pein
Wann ich denk an die Treue dein
so kann ich nichts als fröhlich sein
und leben wohlgemuth
Dein freu ich mich aus Herzensgrund
der lieb Gott spar dich lang gesund
halt dich in seiner Hut
Allein gut Achtung auf dich gib
daß dich der Kläffer nicht betrüb
trau nicht den Worten sein
Denn sein Wort sind mit Gall vermischt
sein Herz steckt voll Neid, Haß und List –
drum folg der Warnung mein
Treu hab ich dir geschworen
das weißt, Herzliebelein
für andern dich erkoren
in mein Herz gschlossen ein
Nimmermehr zu verlassen dich
bei dir verharrn beständliglich
bis kommt die liebe Zeit
Darinnen ich mag für und für
aufschließen dir der Liebe Thür
Leben bei dir in Freud
Ich gläub nicht, daß seins Gleichen lebt
die so rechtschaffen Liebe pflegt
denn du Herzlieb allein
Du bist meins Lebens Aufenthalt
Dir gib ich mich in den Gewalt
bis an die Hinfahrt mein
Kein Untreu solltu spüren
dieweil ich leb auf Erd
Ich will dich nicht verführen
dich halten lieb und werth
Versprich dir hiermit bei der Hand
mein Treu und Ehr zu einem Pfand
au wolbedachtem Sinn
bis man mich hinträgt in das Grab
des solltu werden inn
Daß ich so selten komm zu dir
gschicht niemand wirscher nur denn mir
wie du weißt selber wol
In deinem Dienst trag ich Geduld
weil ich erworben hab dein Huld
nichts mehr mich kränken soll
Nachtgall, thu dich herschwingen
du mußt mein Bote sein
Dies Liedlein solltu bringen
der Auserwählten mein!
Und schwing dich eilends für ihr Haus
richt mir die Sach fein fleißig aus
sag niemand nichts darvon
Wann du kommst für Liebs Fensterlein
mit deinem güldnen Schnäbelein
klopf gar fein leis daran
und grüß mir sie meins Herzn ein Kron
Gib ihr das Liedlein, fleug davon
und bring mir Antwort bald!
Wann du dann wiedrum kommst zu mir
gar treulich will ich lohnen dir
dort in dem grünen Wald
Handschriftlich aus dem Ende des 16. Jahrhunderts, in der Brieger Bibliothek
nach Hoffmann von Fallersleben : Die deutschen Gesellschaftslieder (1843)