Nun Frau Gevatter sind wir da
In dem gelobten Lande,
Nun sind wir in Amerika,
worauf mein Mann so brannte;
Nun wie gefällt es Ihnen hier?
„Ach Gott, gar nicht gefällt es mir
In dieser Mördergrube!“
„Ach wären wir doch zu Hause noch
In unserm lieben Sachsen;
Dort war’s doch schön, man sah dort doch
Auch Bäum‘ und Kräuter wachsen,
Man hatte seine Freude dort, Der Sachse ist ein Mann von Wort
Und alter deutscher Treue.“
So sprachen uns’re Männer nicht,
Als sie so dämlich waren –
Wir mochten wollen oder nicht –
Mit uns hierher zu fahren.
„Ach Gott, wie gern führ‘ ich zurück
Mit meinen Kindern, denn das Glück
Hier will ich jedem gönnen.“
Ja Frau Gevatter, das ist wahr;
Man könnte fast vergehen;
Nun kann man schon ein ganzes Jahr
Nicht mehr zur Kirche gehen.
Was nutzt mir nun mein neuer Hut?
Ach Gott, wie steht er mir so gut,
Und ich kann ihn nicht tragen!
„Und meine Boa und mein Shawl,
Die Kleider und der Schleier;
Die werden in dem Kasten faul
Und kommen doch so teuer!“
Kein Kränzchen, kein Concert und Ball,
Ach Gott, man kann ja nicht einmal
Sonntags spazieren gehen.
„Ach nicht einmal zum Kaffee
kann Man seine Freunde bitten;
Vergangen ist einmal mein Mann
Zum Nachbarn hingeritten!
Der nächste wohnt zwei Stunden weit;
Sie glauben nicht, wie lang die Zeit
Mir wild in diesem Lande.“
Sehn Sie nur meine Finger an
Vom Graben und vom Hacken!
Ach sehn Sie nur; hier ist mir dran
Sogar das Harz gebacken!
Gestorben war‘ in Sachsen ich,
Hätt‘ ich an einem Tage mich
Wie hier so placken müssen.
„Das Graben, Hacken, das nimmt ja
Den ganzen Tag kein Ende,
Mein Carl spricht oft, ach Gott, Mama,
Mich schmerzen meine Hände.
Wie dauert mich das arme Kind,
Er und die beiden Mädchen sind
Die Arbeit nicht gewöhnet.“
In Sachsen hatten wir so viel
Als wir nur immer brauchten,
Die Männer dort beim Solospiel
Ihr Pfeifchen Tabak schmauchten;
Jetzt sitzt mein Mann am Abend dort,
Und seufzt und knurrt in einem fort
Und ist nicht wohl zu sprechen.
Und frag‘ ich ihn, mein lieber Mann,
Sag mir nur, was dir fehlet?
Da sieht er mich so traurig an,
Ich merke, was ihn quälet.
Ich glaube, er bereut’s, mein Mann,
Daß er den dummen Schritt gethan,
Will’s nur nicht merken lassen.
„Ach denken Sie, was gestern früh
Für einen Schreck ich hatte,
Da sitzt doch so ein großes Vieh,
So eine hies’ge Ratte
Auf meinem Bett und glotzt mich an,
Ich glaub‘, hätt‘ ich ihr was gethan,
Sie hätte mich gebissen.“
Ja Frau Gevatterin, s‘ ist toll
Mit allen diesen Plagen;
Wenn ich’s grad ‚raus sagen soll,
‚S ist fast nicht zu ertragen.
Ich hab‘ das Leben hier so satt!
Ach war ich noch in Friedrichstadt!
„Und ich vor‘ m Pirn’schen Thore!“
„Zum Steuern wurde stets noch Rath,
Wir konnten gut bestehen,
Man konnte auch sein bißchen Staat
Vor Leuten lassen sehen.
Hier plagt man sich, sobald es tagt,
Muß gehn wie eine Bauernmagd
Sonntags wie in der Woche.“
Die Kinder wachsen auf wie’s Vieh,
Wer soll sie unterrichten?
Was sie gelernt, verlernen sie;
Von Gott und Menschenpflichten
Sagt jedes sich hier hausen los,
Weil jed’s von früh bis abends bloß
Muß hacken, graben, jäten.
„Nun hören Sie, Frau Gevatterin,
Wir wollen uns vereinen,
Wir wollen mit verstörtem Sinn,
Mit Schmeicheln, Schmollen, Weinen
So lang an uns’re Männer gehn,
Bis sie es klar und deutlich sehn,
Daß wir zurücke wollen.“
„Und thun sie es und ziehn zurück
Ins Land der guten Sachsen,
Dann blühet wieder unser Glück
Und wird auch ferner wachsen.
Es ist ja doch ein schönes Land
Und in der ganzen Welt bekannt
Als eins der schönsten Länder.
Und allen Freunden will ich dann
Die gute Lehre geben:
0 bleibt im Lande, denn da kann
Ein Jeder doch noch leben,
Wenn er als braver Bürger sich
Mit all‘ den Seinen ordentlich,
Wie sich’s gebühret, reget.
„Ich lobe mir mein Sachsenland,
Ich lasse drauf nichts kommen,
0 hätte meines Mann’s Verstand
Der Schwindel nicht genommen!
So säßen wir jetzt in guter Ruh
Der lieben Vogelwiese zu
Und hätten kein Sorgen
Text: Gespräch der Madame Rippel und Madame Rappel in Amerika . Fliegendes Blatt aus dem 19. Jahrhundert , gedruckt zu Dresden – um 1850
KLAGEN DER MADAM RIPPEL UND MADAM RAPPEL IN AMERIKA – Rahmen aus 8 Holzschnitt-Bildchen um zentralen Text. Oben betitelt. Im unt. Rand Verlegername u. No. 14. Dresden, C. Hofmann , um 1850. 40 : 30,5 cm.