Nun bricht der Lenz die letzte Kette (Niederwalddenkmal)

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Nun bricht der Lenz die letzte Kette
Drein die Natur der Winter schlug
Und mit den Lerchen um die Wette
Singt froh der Landmann hinterm Pflug
Scheu girrt im Fichtenschlag die Taube
Manch Vogelpaar, am Nestchen baut’s
Es steigt im Busch aus dürrem Laube
Der grüne Stern des Maienkrauts
Zum Rhein, zum Rhein! Hinaus nach Westen
Am besten schmeckt der Wein mir da
Wo man ihn hat, den Wein, am besten
Gott grüß’ Euch, Rhein und Main und Nah’

Der Rheingau! Dieser Hügel Zacken
Als Diadem der Rheinstrom trägt
Der Rhein, der um den breiten Nacken
Den prächt’gen Scharlachmantel schlägt
Dort zieh’ ich hin, ein lust’ger Reimer
Da lacht das Herz bei Sang und Wein
Bei Rüdesheimer, Geisenheimer
Wer möchte da nicht heimisch sein?
Wenn ich, ein wonnevoller Zecher
Das Gold des Rheingaus still empfah’
Gönn’ ich den Göttern gern den Becher
Mit Nektar und Ambrosia

Hier laßt mich sacht vor Anker gehen
Nach Winterstagen, rauh und kalt
Wie mild die Frühlingslüfte wehen
Um Rebenhang und Flur und Wald
Herrgott, wär’ dies Juwel der Erde
Gefallen je in Welschlands Hand
Wer hätte Ruh’ und Rast am Herde
Bis wir’s zurückerkämpft, gekannt?
Und war es nicht dies Rebgelände
Nach dem der Franzmann gierig sah? –
Glückauf, damit ist’s nun zu Ende
Deutsch ist und bleibt der Rhein! Hurrah

Hier zog in jenen Julitagen
Das deutsche Heer zum Strand der Saar
Hier hat das Dampfroß hingetragen
Der Kranken, der Zerschoss’nen Schaar
Hier, in dem Eden deutscher Erde
Vom Gott der Trauben hochgeweiht
Wohlan, auf diesem Fleckchen werde
Ein Denkmal jener großen Zeit
Errichtet von dem ganzen Volke
Dem zum Gedächtniß, was geschah
Als aus des Pulverdampfes Wolke
Sich strahlend hob Germania

Im Streite messen die Parteien
Die Kräfte, Jeder kämpft und ringt
Doch Keiner soll uns je entzweien
Sobald die Losung „Deutschland!“ klingt
Dann soll, was uns getrennt, verschwinden
Vergessen sei’s und abgestreift
Und Keinen soll der Gegner finden
Der frech des Fremdlings Weise pfeift
Vereint um dies Erinn’rungszeichen –
Wer spräch’ nicht laut und freudig Ja
Soll Jeder treu dem Andern reichen
Die Hand beim Ruf „Germania!“

So sei’s! Zum Werke frisch geschritten
Umrankt von deutscher Reben Kranz
Da steh’ das Denkmal, stolz, inmitten
Des Prunkgemachs des Vaterlands
Das wird ein Fest! Die schönen Stunden
Mich dünkt, ich schau’ sie schon im Traum
Vor lauter Schiffen, kranzumwunden
Sieht man des Rheines Spiegel kaum
Ringsum beglückter Menschen Fülle
Von Flaggen bunt ist Mast und Raa
Kanonen donnern! Seht, die Hülle
Des Denkmals fällt! Hurrah, Hurrah!

Text: Emil Rittershaus (Rüdesheim, Ende April 1872 )
Ein Nationaldenkmal auf dem Niederwald im Rheingau.


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