Die kühnen Forscher sollen leben
Die spüren und sinnieren und studieren Tag und Nacht
Bis was es gibt und hat gegeben
Ergründet und verkündet und an´s Licht gebracht
Und ist es noch so tief versteckt
Es muß hervor, es wird entdeckt
Und ist es noch so weit und hoch
sie kriegen´s doch
Was in des Meeres dämmergrünen Gründen
mit Kribbeln und mit Krabbeln und mit Kriechen nur sich regt
was in der Erde moderigsten Schlünden
im Dunkel mit Gemunkel für Gewürme sich bewegt
Man spürt ihm nach, es muß hervor
die Wissenschaft nimmt es bei´m Ohr
und sperret Alles groß und klein
in ihr System hinein
Es sauset der Komete durch den Aether
zur Sonne seiner Wonne und verschwindet dann im All
gleich wird der Astronome zum Verräter
mit Spüren, Integrieren an dem luft´gen Weltenball
Kommt er nach Jahren dann an´s Licht
und denkt er dann, man kennt ihn nicht:
„Wir kennen dich!“ so hört er schrein
„Kometelein“
Trichinchen trieb sich froh und munter
spiralisch, kannibalisch in dem Muskelfleisch herum
sie trieb es bunt und trieb es immer bunter
und brachte so ganz sachte viele Menschenkinder um
Da nahm die Wissenschaft das Glas
und sprach: „Haha, das kommt von das!“
da hatten sie dich gleich beim Bein
Trichinelein!
Wo in der Urzeit allerfernstem Dunkel
in Wischwasch und in Mischmasch die Geschichte sich verliert
wo in des Chaos wühlendem Gemunkel
des Laien Auge rath- und that- und pfadlos sich verirrt
Da zünden sie ein Licht uns an
daß man es deutlich schauen kann
so war es einst, so sah es aus
im Erdenhaus!
Sie lesen in den Eingeweiden
der Erde ohn´ Beschwerde wie in Urzeit sie es trieb
als sie in jenen jugendlichen Zeiten
mit Lias, Trias, Kreide sich ihr Tagebuch noch schrieb
und was sie alles durchgemacht
bis sie es dann so weit gebracht
daß man gemächlich ohn‘ Beschwer´
drauf geht umher
Wie unter riesenhohen Palmen
behaglich ging spazieren noch das Mastodon
wie´s mächtig rauschte in den Schachtelhalmen
und noch die Welt nicht´s wußte von der Kreideformation
wie all das Vorweltsteufelsvieh
vergnüglich lebt´ und fraß und schrie
bis dann das Unglück es betroff
und es ersoff
Wie dann der biedre Pfahlgenosse
behaglich in dem Pfahlbau seinen Torfschweinschinken aß
und lustig lebt in seinem Pfahlbauschlosse
bis endlich ihm die Bronzezeit versalzte seinen Spaß
wie darauf dann das Eisen kam
und die Kultur ´nen Fortschritt nahm
und wie wir´s seit der Affenzeit
doch brachten weit
Es lebe die Naturgeschichte!
Es leben, die ihr Leben und Bestreben ihr geweiht
die sie entzündet gleich dem Lichte
der Wahrheit helle Klarheit zu verkünden weit und breit
Auf stoßet eure Gläser an!
und rufet Alle Mann für Mann:
„Es blühe stets in neuer Kraft
die Wissenschaft!“
Text: Heinrich Seidel (1871)
Musik: auf die Melodie von: „Krambambuli das ist der Titel“
Erstmals gesungen bei der 44. Wanderversammlung der Naturforscher und Ärzte , Rostock 1871