Heino voll daneben
Dienstag, 20. Oktober 2020Heinz Georg Kramm genannt Heino spielt sich wieder einmal zum Hüter der deutschen Volksliedkultur auf. Dabei verwechselt er wie so oft – mit oder ohne Absicht – Zeiten und Räume, Vaterland und Heimat, volkstümlichen Kitsch und die wirklich gesungenen Lieder.
In der BILD (wo sonst) ist er wie folgt zu lesen: „Ich verstehe nicht, warum man Zigeunersauce plötzlich nicht mehr so nennen darf. Als hätten wir in Deutschland keine anderen Probleme! Ich werde auch weiterhin Lieder wie ,Lustig ist das Zigeunerleben‘ singen.“ Und weiter: „Oder soll ich jetzt ,Lustig ist das Paprikaleben ungarischer Art‘ singen?“
Mal abgesehen davon, dass der senile Barde vermutlich „Papriksoße ungarischer Art“ meinte, so wie man „Schnitzel Wiener Art“ im Restaurant angeboten bekommt.
Das Ärgerliche ist: Heino scherrt sich einen Dreck um die Menschen, deren Leben er trotz Stigmatisierung, Verfolgung und Ermordung weiterhin als „lustig“ besingen will. Und er kümmert sich auch nicht um „Volkslieder“, ihm geht es um das völkische Pathos: Das von seinesgleichen besungene und beklatschte Lied vom Zigeunerleben war schon bei seiner Entstehung ein Klischee, ein umgesungenes Lied fahrender Handwerksburschen, die ihre Arbeitskraft in halb Europa anbieten mussten:
Wir sagen dem Meister ins Angesicht:
Wir fürchten keinen Krauter nicht!
Auch Wilddiebe, die der Hunger in den Wald trieb und denen das Adelsprivileg der Jagd egal war, sangen eine frühe Version des Liedes
Lustig ist das Schwarze Leben
wenn wir uns in Wald begeben
im dem Walde Rodenstein
möchte ich kein Jäger sein
Wer nach dem Massenmord an Sinti und Roma immer noch „Wo der Zigeuner Aufenthalt“ singen will, ohne dass ihm die Scham die Sprache verschlägt, der intoniert auch „Deutschland über alles“ und „Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wieder haben“. Alles im Repertoire von Georg Kramm.
Zu Kaisers Zeiten war man übrigens schlauer. So ist im Jahre 1894 in der vermutlich wichtigsten Sammlung zum deutschen Volkslied zu lesen:
„Dergleichen Lieder sangen nicht Zigeuner, sondern gute Deutsche zur Erheiterung bei ihren Trinkgelagen. … In Wahrheit aber wird dieses ewig nomadisierende , dem zivilisierten Europa recht unbequeme Volk von der Polizei von Ort zu Ort vertrieben und verfolgt. So steht’s mit Wahrheit und Dichtung. (Franz Magnus Böhme, Deutscher Liederhort III , S. 414)
Volksmusik: Neuigkeiten
Liederzeit: 21. Jahrhundert (2020)
Schlagwort: Zigeuner |