Das Täublein (Ein Ruf)
Es stiegt ein Täublein weiße
Wohl in ein Kämmerlein
In eines Engels Weise
Zu einer Jungfrau fein:
Grüß dich Gott, du auserwählte Maid
Deine Seel‘ ist wohlgezieret
Gesegnet ist dein Leib
Gott hat dich hoch begnadet
Der Herr, der ist mit dir
Seine Kraft wird dich umfahen
Das sollst du glauben mir
Schließ auf deines Herzens Fensterlein
Zu dir will ich mich neigen
Gesegnet wirst du sein
Der heilge Geist wird kommen
Zu deines Schoßes Haft
Bis dass er Fleisch gewonnen
Hat durch die Gottes Kraft
Sie sprach zu ihm: O himmlischer Bot
Ich hab mein Treu versprochen
Dem allmächtigen Gott
Hast du dein Treu versprochen
Dem allmächtigen Gott
So wird er zu dir kommen
Wohl durch sein göttlich Wort
Er kommt zu dir so gar ohn arge List
Eine Jungfrau wirst du bleiben
Immer und ewiglich
Nimm wahr, ich bin die Dienerin
Des höchsten Herren mein
Mir gescheh nach deinen Worten
Du selger Engel rein!
Sie erschloss ihres Herzens Fensterlein
Wohl zu derselben Stunde
Der heilge Geist ging ein
Da wohnten miteinander
Jesus und auch die Maid
Bis auf den Weihnachtsabend
Sie gebar ihn ohne Leid
Wahren Gott und Mensch, Herrn Jesum Christ
Und ist doch Magd geblieben
Und bleibt es ewiglich
Da ward er uns geboren
Der wahre Gottes Sohn
Der uns zu Trost geworden
Ist, unsres Lebens Lohn
Ach Gott, warum denn tat er das?
Er wollt herwieder bringen
Adam und Evas Fall
Wie Eva hat gebrochen
Mit Adam das Gebot
Maria hat Gnade gefunden
Hat neues Heil gebracht
Durch die Frucht ihres Leibes, Jesu Christ
Ist uns das Heil entsprungen
Der Himmel offen ist
So hat der Ruf ein Ende
Wohl hier zu dieser Stund
Wir wollen Gott nun bitten
Aus unsres Herzens Grund
Er woll uns Allen gnädig sein
Und woll uns auch behüten
Vor der heißen Hölle Pein
Text: Verfasser unbekannt
in Deutsche Weihnachtslieder (Simrock), 1959. Simrock schreibt: „In diesem sogenannten Ruf ist die geistliche Umdichtung eines weltlichen Volksliedes nicht so augenfällig, als in einem verwandten Liede (Hoffm. Nr. 233, Uhland 872), das ich nicht mundrecht machen konnte:
Es flog ein kleines Waldvögelein
Aus Himmelsthrone,
Es flog zu einer Jungfrau ein
Ein Maget frone.
Es ist mit ihm geflogen
Ein schöner Jüngeling
Er sprach: Seid unbetrogen,
Zart Jungfrau, merket diese Ding! ….
Ein Lied von der Verkündigung (Hoffm. Nr. 232, Uhland 844) mit dem Anfange:
Eine Jungfrau schön und auserwählt,
Von Königsstamm geboren,
Die mir allzeit so wohlgefällt,
Hab ich mir auserkoren
gehört nicht ganz hierher. Maria, heißt es,
Maria
Bracht uns drei Rosen fein
So gar mit reichem Schalle.
Nur die erste Rose bedeutet ihren göttlichen Sohn, die andere die Einsetzung des Altarsakraments, die dritte die Kreuzigung. Es gibt noch andere geistliche Lieder von drei Rosen; eines mit allegorischer Deutung, vergl. Hoffmann 393, eines bei Schmitz, Eifelsagen, mit der Beziehung auf die heilige Dreifaltigkeit. Viel jüngern Ursprungs sind die beiden folgenden im Volke sehr verbreiteten Lieder, die wohl auch aus ihm, vielleicht durch Vermittlung der Weihnachtsspiele, entsprungen sind.
Ave Maria, gratia plena! (Der englische Gruß)
Ave Maria! Jungfräuliche Zier