Nach Hause nach Hause gehn wir nicht

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Nach Hause, nach Hause
nach Hause gehn wir nicht
bis dass der Tag anbricht
der helle Tag anbricht
Nach Hause gehn wir nicht

So lautet der Refrain eines Schlagers von 1929, die Schellackplatte nennt J. Reckmann und F. Schwarz als Urheber, die GEMA-Datenbank nennt unter der Nummer 1336492-002 für Text und Komposition: J. Reckmann und Friedrich Schwarz als Spezialtextdichter und Bearbeiter.  Die Melodie ist aber – bis auf den Refrain-Teil –  identisch mit der von „Tief drin im Böhmerwald“, nur dass es um sehr viel Alkohol geht.

Auch der Refrain kommt aus Böhmen, auf Tschechisch lautet er: „Až ráno, až ráno, až bude bílý den …“ (Bis zum Morgen, bis zum Morgen, bis es hell wird …) – auf Deutsch: „Nach Hause gehn wir nicht, bis dass der Tag anbricht (in der Kneipe brennt noch Licht). Nur was war zuerst da? Die Tschechische oder die deutsche Fassung?

Der Refrain ist in deutscher Sprache jedenfalls seit Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt:  „Nach Hause gehn wir nicht“ steht in einer frühen Fassung bereits in „Starker Tabak (oder: Berlin und Hinter-Indien)“ – Posse mit Gesang von Eduard Jacobson (1860) Jacobsons meist einaktige Gesangspossen gehörten im Berlin der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu den meistgespielten Bühnenwerken. In dem gemeinsam mit U. J. Anders verfassten Stück singen zu Beginn einer Feier die Gäste zunächst:

Brüder trinkt, Brüder trinkt
Weil’s im Glase lockend blinkt
Die des Lebens sich nicht freu’n
werden es dereinst bereu’n
Wenn daher das Alter schwebt
Dass sie ganz umsonst gelebt.

Gleich darauf intoniert dann der Chor unser Lied mit einer kleinen Abweichung in der dritten Zeile:

Nach Hause gehn wir nicht
Nach Hause gehn wir nicht
Nach Hause gehn wir lange nicht
Ca Ca lange nicht
Nach Hause gehn wir nicht

Im Jahr darauf (1861) erscheinen die „Jugenderinnerungen“ von Hermann Hersch mit dieser Passage auf S. 16/17: „Aber was wird nun weiter angefangen. Es ist noch früh. Vor zwölf Uhr wird heute nicht zu Bette gegangen. (Singend während die Andern lärmend einfallen): Nach Hause gehn wir nicht, nach Hause gehn wir nicht, nach Hause gehn wir noch lange nicht … “

Das Lied scheint schon damals recht populär gewesen zu sein, denn im Beiblatt zu Nr. 20 des Kladderadatsch vom 5. Mai 1867 steht der Refrain –  nur mit „Sassa“ anstatt „Ca ca“ – als „Gesang der Luxemburger Besatzung“.

Nach Hause gehn wir nicht
Nach Hause gehn wir nicht
Nach Hause gehn wir lange nicht
Sassa lange nicht
Nach Hause gehn wir nicht

Kurz vor dem Ende des 19. Jahrhunderts kannte man auch in München bereits: „Nach Hause, nach Hause, nach Hause gehn wir nicht!“ So steht das Lied in der Chronik der Münchener Ratsch-Kathl vom 27. März 1897:

„G’suffa g’suffa!, schallt es im Chor, und jeder leert sein Glas […]. G’suffa g’suffa wurde bis in der Früh des anderen Tages, während die Musik spielte: Nach Hause, nach Hause, nach Hause gehn wir nicht! Und als man sich toll und voll g’suffa hatte, stimmten sämtliche Oberchinesen das neue Lied an: Menschen, Menschen san mer alle, Fehler hot a Jeder gnua, Alle könnens doch net gleich sei, s‘ liegt halt so in der Natur….“

Der heute bekannte Wortlaut steht 1907 auch in „Der Türmer“ (Band 9, Ausgabe 1, S. 90): „Nach Hause gehn wir nicht, nach Hause gehn wir nicht, bis dass der Tag anbricht…“. Die vollständige Textpassage lautet:

„Beim Weitertrinken und Weitersingen verwandelt sich plötzlich der patriotische Singsang in einen breiten patriotischen Redestrom, wobei man alles leben lässt, den Kaiser, das deutsche Heer, die Kolonien, die Flotte, den deutschen Handel, die Stadt Leipzig, den König von Sachsen, den Kriegerverein, die Elbschiffahrt, den Herrn Justizrat, den Gesangverein Harmonie, bis dieses gründliche Toasten erschöpft ist und der Gesang von Volks und Kneipliedern zur Herrschaft kommt: „Ich weiß nicht, was soll soll es bedeuten, dass ich so traurig bin.“ Und dann „Nach Hause gehn wir nicht, nach Hause gehn wir nicht, bis dass der Tag anbricht…“  In solchem Saufdusel triefen die Unterhaltungen derlei Deutscher im Ausland nur so von plump renommierendem Hurrapatriotismus. Nun unsere lieben Kolonien. „Welch Menschenmaterial !“, seufzt der Verfasser. Und so was soll kolonisieren …“

Während des Ersten Weltkriegs sang man in den Argonnen: „Nach Hause, nach Hause, nach Hause gehn wir nicht. Berichtet hatte dies Otto Krüger aus Spandau. (Signatur: S 0145-0290 im ZPKM Freiburg).

1929 erschien dann auf Schellack „Nach Hause gehn wir nicht„, gesungen von August Batzem auf die Melodie von „Tief drin im Böhmerwald„, mit der Angabe „I. Reckmann / F. Schwarz“.

Nach Hause gehn wir nicht (1929)

Von J. Reckmann steht nur ein einziger Eintrag in der GEMA-Datenbank, und vermutlich bezieht sich die Urheberschaft nur auf den Refrain. Die Melodie ist ansonsten die vom „Böhmerwald“ (Komponist: Hans Bicherl).  Der Text über eine rauschhafte Nacht voller Alkohol auf die Melodie von Bicherl ist wohl von Friedrich Schwarz, der viel mit Willy Rosen zusammen gearbeitet hat und für ihn Texte schrieb.  Die GEMA-Datenbank nennt die Geburtsdaten 1894 -1933.  Es gibt einen  Kabarettisten und Stimmungssänger Friedrich (Friedel) Schwarz, der 1943 im KZ Neuengamme umkam und 1886 geboren wurde. (Wikipedia).  Eventuell doch eine andere Person? Eventuell sind aber auch die Angaben der GEMA falsch, denn die Melodie vom Böhmerwald wird hier nicht einmal erwähnt!

CDs und Bücher mit Nach Hause nach Hause gehn wir nicht:

Abweichungen im Text

Das Lied wurde 1929 in Frankfurter Kinderleben (Nr. 2833) parodiert:

Nach Hause, nach Hause
nach Hause gehn wir net
bis dass die Alte Pfannekuche backt
un kaa so schepp Gesicht mehr macht

In der NS-Zeit sang eine Menschenmenge vor einem Hotel, in dem Adolf Hitler residierte: „Nach Hause, nach Hause, nach Hause gehn wir nicht, bis dass der Führer spricht“.