Nach einer Prüfung kurzer Tage
erwartet uns die Ewigkeit
Dort, dort verwandelt sich die Klage
in göttliche Zufriedenheit
Hier übt die Tugend ihren Fleiß
Und jene Welt reicht ihr den Preis
Wahr ist´s, der Fromme schmeckt auf Erden
Schon manchen sel´gen Augenblick;
Doch alle Freuden, die ihm werden,
Sind ihm ein unvollkommnes Glück.
Er bleibt ein Mensch, und seine Ruh´
Nimmt in der Seele ab und zu
Bald stören ihn des Körpers Schmerzen,
Bald das Geräusche dieser Welt;
Bald kämpft in seinem eignen Herzen
Ein Feind, der öfters siegt als fällt;
Bald sinkt er durch des Nächsten Schuld
In Kummer und in Ungeduld.
Hier, wo die Tugend öfters leidet,
Das Laster öfters glücklich ist,
Wo man den Glücklichen beneidet
Und des Bekümmerten vergisst;
Hier kann der Mensch nie frei von Pein,
Nie frei von eigner Schwachheit sein.
Hier such´ ich´s nur, dort werd´ ich´s finden,
Dort werd´ ich, heilig und verklärt,
Der Tugend ganzen Wert empfinden,
Den unaussprechlich großen Wert;
Den Gott der Liebe werd´ ich sehn,
Ihn lieben, ewig ihn erhöhn.
Da wird der Vorsicht heil´ger Wille
Mein Will´ und meine Wohlfahrt sein;
Und lieblich Wesen, Heil die Fülle
Am Throne Gottes mich erfreun.
Dann lässt Gewinn stets auf Gewinn
Mich fühlen, dass ich ewig bin.
Da werd´ ich das im Licht erkennen,
Was ich auf Erden dunkel sah;
Das wunderbar und heilig nennen,
Was unerforschlich hier geschah;
Da denkt mein Geist mit Preis und Dank
Die Schickung im Zusammenhang.
Da werd´ ich zu dem Throne dringen,
Wo Gott, mein Heil, sich offenbart;
Ein Heilig, Heilig, Heilig singen
Dem Lamme, das erwürget ward;
Und Cherubim und Seraphim
Und alle Himmel jauchzen ihm.
Da werd´ ich in der Engel Scharen
Mich ihnen gleich und heilig sehn,
Das nie gestörte Glück erfahren,
Mit Frommen stets fromm umzugehn.
Da wird durch jeden Augenblick
Ihr Heil mein Heil, mein Glück ihr Glück.
Da werd´ ich dem den Dank bezahlen,
Der Gottes Weg mich gehen hieß,
Und ihn zu Millionen Malen
Noch segnen, dass er mir ihn wies;
Da find´ ich in des Höchsten Hand
Den Freund, den ich auf Erden fand.
Da ruft, o möchte Gott es geben!
Vielleicht auch mir ein Sel´ger zu:
Heil sei dir! denn du hast mein Leben,
Die Seele mir gerettet, du!
O Gott! wie muss dies Glück erfreun,
Der Retter einer Seele sein!
Was seid ihr, Leiden dieser Erden,
Doch gegen jene Herrlichkeit,
Die offenbart an uns soll werden,
Von Ewigkeit zu Ewigkeit?
Wie nichts, wie gar nichts gegen sie
Ist doch ein Augenblick voll Müh´!
Text: Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769)
Musik: J. G. Schicht (1753–1823)
in: Vierzig Grabgesänge (1906)