Morgen muß ich fort von hier
und muß Abschied nehmen.
O du allerschönste Zier
Scheiden das bringt Grämen
Da ich dich so treu geliebt
über alle Maßen
soll ich dich verlassen,
soll ich dich verlassen
Wenn zwei gute Freunde sind
die einander kennen
Sonn und Mond bewegen sich
ehe sie sich trennen
Noch viel größer ist der Schmerz
wenn ein treu verliebtes Herz
in die ferne ziehet
Dort auf jener grünen Au
steht ein jungfrisch Leben
Soll ich denn mein Leben lang
in der Ferne schweben?
Hab ich dir was Leids getan
bitt dich, woll’s vergessen
denn es geht zu Ende
Küsset dir ein Lüftelein
Wangen oder Hände
denke, da‘ es Seufzer sein
die ich zu dir sende
tausend schick ich täglich aus
die da wehen um dein Haus
weil ich dein gedenke
Text: Neudichtung von „Nun so reis ich weg von hier„, eines auf fliegenden Blättern verbreiteten Liedes aus dem 17. Jahrhundert, in „Des Knaben Wunderhorn“ (III, 1808, S. 31)
Musik: Friedrich Silcher (1827)
Deutscher Liederhort I (1856, Nr. 111) und Deutscher Liederhort II (1893, Nr. 791c „Lebewohl“)
Kein Volkslied, vielmehr ein volkstümliches Kunstlied, weder Text noch Melodie sind authentisch, ein Produkt des Biedermeier. Bis zur neuen Komposition von Silcher war auch der Wunderhorn-Text offensichtlich auf eine mündlich überlieferte ältere Melodie gesungen worden. Auf diese traditionelle Melodie, die sowohl in Frankreich als auch in anderen Ländern bekannt ist. schrieb Hoffmann von Fallersleben sein Frühlingsgedicht „Alle Vögel sind schon da“ –