Mit einer wunderschönen Traube
Kam einst ein armer Bauersmann
Am Hofe seines Fürsten an
Bot ihm sie dar, und sprach: „Erlaube,
Dass ich dir bringe, was ich kann;
Viel ist es nicht. Die Wahrheit zu gestehen,
Nahm ich die Traube nur zum Vorwand dich zu sehen,
Und dir gehört sie ja von Rechtes wegen zu;
So selten ist die Frucht, als Könige, wie du.“
Ein Lob, das so natürlich fließet,
Noch mehr, das volle Herz, aus dem es sich ergießet,
Entzückt den Fürsten. Liebevoll
Dankt er für das Geschenk, und prächtig im Erwidern,
Befiehlt er gleich, dass man dem Biedern
Zweihundert Taler reichen soll.
Der Bauer kehrt, die Hände voll,
Zurück, erzählt den Vorfall seinen Brüdern;
Die melden ihn dem Pfarrer, und der dem Edelmann.
Der Junker hört ihn lüstern an.
„Was?“ bricht er aus, „so viel für eine Traube?
Der König ist ein braver Mann.
Nun sollt ihr sehn, wie ich ihn schraube.“
Aus seinem Stall wählt er das schönste Ross,
Setzt sich darauf und reitet vor das Schloss.
Vom Fenster sieht der Fürst ihn traben,
Und lobet laut das edle Pferd.
„Hältst du es, Herr, der Ehre wert
In deinen Marstall es zu haben?
Gebiete, so gehört es dir.
Zu hoher Gnade halt‘ ich’s mir.“
Der König: „Freund, ich danke dir,
Allein womit kann ich die Gabe dir vergelten?
Ha! meine Traube! holt sie mir!
Sieh, welche Frucht! in ihrer Art so selten.
Als dieser Gaul in seiner. Nimm sie dir!“
Text: Nicolai (1794)
in Als der Großvater die Großmutter nahm (1885) 1794