Mariechen saß am Rocken
Im Grase, da schlummert ihr Kind;
Durch ihre schwarzen Locken
Weht kühl der Abendwind
Sie saß so sinnend , so traurig,
So ernst und geisterbleich;
Dunkle Wolken zogen schaurig,
Und Wellen schlug der Teich.
Der Reiher kreist über dem Rohre,
Die Möwe streicht wild umher,
Der Staub fegt wirbelnd am Wege,
Schon fielen die Tropfen schwer.
Und schwer von Mariechens Wangen
Die heiße Träne rinnt,
Und weinend in ihre Arme
Schließt sie ihr schlummernd Kind.
Wie schläfst Du so ruhig und träumest,
Du armer, verlaßner Wurm!
Es donnert, die Tropfen fallen,
Die Bäume schüttelt der Sturm!
Dein Vater hat dich vergessen,
Dich und die Mutter dein;
Du bist, du arme Waise,
Auf der weiten Erde allein!
Dein Vater lebt lustig in Freuden;
Gott laß es ihm wohl ergehn;
Er weiß nichts von uns beiden,
Will dich und mich nicht sehn!
Und stürz‘ ich, während du schlummerst
Mit dir in die tiefe See,
Dann sind wir beide geborgen,
Vorüber ist Gram und Weh!
Da öffnet das Kind die Augen,
Blickt freundlich auf und lacht;
Die Mutter schluchzt und preßt es
An ihre Brust mit Macht!
Nein, nein, wir wollen leben,
Wir beide, du und ich!
Deinem Vater sei vergeben
Wie selig macht er mich
Text: Josef Christian von Zedlitz , 1832
mit abgewandelter erster Strophe und einer Drehorgelmelodie wurde dieses Gedicht zu dem populären Küchenlied „Mariechen saß weinend im Garten“
in Als der Großvater die Großmutter nahm (1885)
1832