Luischen war ein wildes Kind
Noch wilder fast wie Knaben
Und alle Lehren schlug´s in Wind
Die ihm die Eltern gaben
Einst lärmte sie im Blindekuh
Wie Bauern in der Schenke
Schrie wie ein Fuhrmann he und hu
Und sprang auf Tisch und Bänke
Der Schweiß floß von der Stirn auf’s Kleid
Wie große Regentropfen
Man hörte schon zehn Schritte weit
Ihr Herz im Busen klopfen
So schlich sie heimlich fort und lief
Frisch einen Trunk zu wagen
Ihr Bruder Karl ihr nach und rief
halt ein sonst muß ich´s sagen
Luischen droht ihm nahm das Glas
Und trank´s mit vollen Zügen
Karl sprach sie drauf Karl sagst du was
Gewiß so sollst du´s kriegen
Karl schwieg und dacht ein wenig Bier
Wird keinen Schaden bringen
Und damit lief er weg von ihr
Noch brav herumzuspringen
Er platzt am andern Morgen früh
In seiner Schwester Kammer
Ach wie erschrak er über sie
Was sah er da für Jammer
Die arme Kleine konnte schier
Nicht stehen liegen sitzen
Bald stach sie´s dort bald wieder hier
Wie lauter Nadelspitzen
Karl lief in Garten schrie und rang
Die Haut sich von den Händen
Sah himmelwärts und schluchzte bang
Den Tod noch abzuwenden
Indeß rührt man ihr Tropfen ein
Die gut nur bitter waren
Da half kein Bitten und kein Dräun
Sie ließ den Löffel fahren
Und schrie Ich kann unmöglich ja
Die Gall hinunterbringen
Doch sagte freundlich die Mama
Versuch mußt dich nur zwingen
Ja sprach der Doktor liebes Kind
Sonst dringt der Tod zum Herzen
Was halfs Luischen schlug´s in Wind
Und litt viel lieber Schmerzen
Erfüllt ward leider nur zu bald
Was hier der Dokter sagte
Luischen lag schon starr und kalt
Noch eh es wieder tagte
Karl sah sie schrie erschrecklich: Ha!
Und fiel in Ohnmacht nieder
Er fiel weg war sein Atem da
Und kam auch niemals wieder
Man legte Beid in einen Sarg
Den wenn man einstens reiset
Man heut zu Tage noch in Warg
Nicht weit von Leipzig weiset
Text: Leopold Friedrich Günther von Goeckingk (1780)
in: Als der Großvater die Großmutter nahm (1885)