Lille, du allerschönste Stadt
du, du bist so fein und glatt
Schaue meine Liebesflammen
ich lieb dich vor allen Damen
mein herzallerschönster Schatz
Lieber Herr, was saget ihr?
Wer seid ihr? Was macht ihr hier?
Was die Reuter, die Soldaten?
Euere tapferen Kameraden?
Liebster, das erzählet mir!
Ich bin der Savoyer Held
bekannt genug in aller Welt
Prinz Eugenius genennet
der in deiner Liebe brennet
Lille, mein allerschönste Braut
Lieber Herr, fort packet euch
Gehet in das deutsche Reich
denn ich habe zum Galanten
zum Gemahl und Caressanten
König Ludwig von Frankreich
Liebste, deine Schönheit groß
Ziehet mich in deinen Schoß
Laß dich schrecken meine Waffen
Mit Gewalt will ich bei dir schlafen
Du magst sagen, was du willst.
Wollt ihr handeln mit Gewalt
Lieber Herr, nit dergestalt
Schalten möget ihr und walten:
Bouffier der kann mich erhalten
Und beschützen meine Ehr
Liebe, laß doch sagen dir:
Meine Stücke sind Mortier
Bomben- und Granatenfeuer
Sollen sein dein Hochzeitfeuer
Das ich dir zu Ehren halt.
Lieber Herr, von großer Macht
Glaubet mir, es ist gesagt:
Meine Werk und Bastionen
Citadell und halbe Monden
Lachen und verspotten euch
Halt das Maul und schweige still
Hör, was ich dir sagen will
Hab ich nicht in Ungarlanden
Die Türken gemacht zu schanden
Hunderttausend, noch viel mehr?
Lieber Herr, das glaub ich wohl
Dass ihr damals waret toll
Aber ihr habt nichts zu schaffen
Jetzo mit den türkschen Affen
Sondern mit der Franzosen Blut
Lille, sei nicht so stolz und frech
weise mich nicht von dir weg
Sieh, ich will dich bombardieren
deine Mauern ruinieren
und zerschießen Stein für Stein
Ei so komm, meine Prinz
Der du auch noch liebest Lille
Gott der segne deine Waffen
Die Holländer wirst du strafen
Und sie schlagen aus dem Feld
Ihr Konstabler, frisch daran,
feuert! hunderttausend Mann,
donnert, daß es kracht, in Flammen,
Lille, die schöne Stadt zusammen!
Lille, du allerschönstes Weib
Meint ihr denn, daß mein Vendome
Mir nicht bald zu Hilfe komme
Der mit hunderttausend Franzen
Die Holländer wird lernen tanzen
Aus dem edlen Flanderland?
Liebste, denk an meine Macht
Alle Prinzen unveracht
Glaube mir, das liebe Mailand
nd das auserwählte Deutschland
Hab quittiert aus Lieb zu dir?
Lille, mein allerschönstes Kind
Warum bist du doch so blind
Daß du mich nicht willst annehmen?
Tust du dich denn meiner schämen
Oder sag, was fehlet dir? —
Lille, mein Engel und mein Lamm
ich weiß dir ein Bräutigamm
Carolus, der Weltbekannte
ich bin nur sein Abgesandte
und des Kaisers General
Ei wohlan, so soll es sein
Carolus sei der Liebste mein
denn der Ludewig veraltet
und die Lieb ist ganz erkaltet
Karl ist noch ein junger Held
Text und Musik: Verfasser unbekannt
Lied über Die Belagerung von Lille, 1708
in Deutscher Liederhort II (1893, Nr. 323 „Prinz Eugen vor Ryssel, Festung Lille, 1708)