Liederlexikon: Julius Otto

| 1804

In dieser langen Zeit nun hat O. bei treuer und gewissenhafter Verwaltung des ihm übertragenen Amtes nicht nur seinen Sängerchor auf eine hohe Stufe gebracht, sondern sich selbst als Lehrer und Componist überaus thätig gezeigt. Er schrieb für die Kirche viele Cantaten, Hymnen, Motetten, eine Missa (dem König Anton überreicht und auch in der katholischen Hofkirche aufgeführt), sowie drei große Charfreitagsoratorien, von denen namentlich „Der Sieg des Heilandes“, gedichtet von Ad. Peters, ganz vorzüglich, aber das von seinem leider früh verstorbenen, reich begabten Sohn Julius gedichtete: „Des Heilands letzte Worte“, sich des allgemeinsten Beifalls erfreuten.

Außer diesen Kirchensachen componirte O. eine große Anzahl einstimmiger Lieder mit Clavierbegleitung, sowie zwei- und vierhändige Rondo’s für Clavier. Das Lied „In die Ferne“ von Kletke (Mannheim, Heckel) erhielt den Mannheimer Ehrenpreis von 9 Ducaten und hat die Runde durch Deutschland gemacht. Von weltlichen Sachen schrieb O. ferner: „Das Stiftungsfest“, gedichtet von Stiebritz, für Solo und gemischten Chor mit Clavierbegleitung, sowie mehrere sogenannte „Kinderfeste“, nämlich das „Schulfest“, das „Weihnachtsfest“, das „Pfingstfest“ und das „Vaterlandsfest“, ged. von Fr. Hofmann in Leipzig. Dieselben sind von Schulkindern mit Clavierbegleitung auszuführen und haben große Verbreitung gefunden, da sie ganz für Kinderherzen geschrieben sind; sie erschienen sämmtlich bei Glaser in Schleusingen.

Noch sind von seinen Compositionen zu erwähnen: Die „Nacht“, der „Morgen“ und der „Mittag“, für gemischten Chor und Orchester mit Declamation; Dichter dieser Tageszeiten war Hermann Waldow in Dresden. Eine Oper von O., „Das Schloß am Rhein“, kam 1838 im Dresdner Hoftheater ohne Erfolg zur Aufführung. Was O. auf dem Gebiete des Männergesanges geleistet, ist weltbekannt; er gilt nicht nur als einer der besten, sondern auch als einer der fruchtbarsten Componisten für diesen Zweig der Tonkunst. –

Eine große Anzahl Lieder, sowie religiöse Gesänge sind in dem von ihm redigirten, von Glaser in Schleusingen herausgegebenen Werke „Ernst und Scherz“ enthalten, darunter die von ihm erfundenen Cyclen „Sängersaal, Burschenfahrten, Gesellenfahrten, Soldatenleben, Spinnabend, der Philister“. Er gab auch gegen 12 Hefte vierstimmiger Lieder heraus, sowie eine vierstimmige Vocalmesse. Das Oratorium „Hiob“, für Männerstimmen und Orchester, ged. von Jul. Mosen, ist wohl eines seiner frischesten und besten Werke. Dasselbe kam zum erstenmal 1835 in der Dresdner Frauenkirche in einem Concert des pädagogischen Vereins zur Aufführung.

O. war auch der Erste, der es unternahm, eine komische Oper für Liedertafeln zu schreiben. Wem wäre „Die Mordgrundbruck bei Dresden“ wohl unbekannt? Zwei andre, wie die erste, bei Glaser erschienene komische Opern sind: „Die Liedertafel in China“ und „In Schilda“, in welch letzterer die Zukunftsmusik etwas derb ins Gebet genommen wird. Eine vierte komische Oper von Dr. Bösigk in Dresden, „Nach Nürnberg“, erschien bei Leuckart in Breslau. Ebenfalls bei Glaser sind erschienen: „Im Walde“, ged. von C. Gärtner in Dresden, „Am Meeresstrande“, ged. von Klopsch in Breslau, und „Das Mährchen vom Faß“, ged. von Herm. Waldow in Dresden. Sie sind für Solo, Männerchor und Orchester (letzteres Werk mit Declamation) componirt und bestehen je aus 12 Nummern.

Noch ist zu erwähnen, daß, als i. J. 1845 die Harmonie-Gesellschaft zu Trarbach ein Fuder (14 Eimer) des besten Moselweins für das schönste Lied zur Verherrlichung der Mosel und ihres Weins ausschrieb, O. unter 195 Bewerbern diesen Preis erhielt durch das Lied: „Des deutschen Rheines Braut“, ged. von seinem Sohne Julius. Für das Würzburger Gesangfest i. J. 1846 componirte O. den von seinem Sohne gedichteten Hymnus nach dem 67. Psalm: „Herr, Du bist meine Zuversicht.“ Für das große deutsche Nürnberger Gesangfest i. J. 1861 schrieb er den 23. Psalm: „Der Herr ist mein Hirte“, für das erste deutsche Bundesgesangfest in Dresden 1865 den 24. Psalm: „Jehova ist die Erd.“ Der 67. und 24. Psalm erschienen bei Glaser, der 23. bei Leuckart in Breslau (jetzt Leipzig).

Sämmtliche Werke fanden die allgemeinste Anerkennung und wurden zu den besten der bei diesen Festen aufgeführten Conpositionen gezählt. Für das Gesangfest in Plauen i. V. i. J. 1862 schrieb O. „Rheinsage“, ged. von Em. Geibel, welches Werk bei Glaser erschien. Seine letzten Compositionen vom Dec. 1876 waren: „Das weiße Kreuz im rothen Feld“, für die Schweizer Turner, und „Röslein“ für den Regensburger Liederkranz.

O. besaß als Componist für Männergesang einen Weltruf, der ihm mehr als 60 Ehrendiplome eingebracht hatte. Er schuf mit außerordentlicher Leichtigkeit, ohne je trivial zu werden. Volle Beherrschung der Theorie und aller technischen Hülfsmittel zeichnen seine Compositionen aus, welche sämmtlich sehr „sangbar“ geschrieben sind und dadurch, sowie durch schöne, fließende Melodie außerordentlich populär geworden sind.

Als charakteristisch für diese Kritik dürfte sein herrliches Lied „Das treue deutsche Herz“ gelten. O. hat übrigens wie C. M. v. Weber, Kreutzer, Methfessel und Marschner durch seine patriotischen Gesänge viel zur Hebung des deutschen Nationalgefühles beigetragen.

Am 31. December 1875 trat O. in den wohlverdienten Ruhestand, am 5. März 1877 ereilte ihn ein schmerzloser, rascher Tod. Bei Abschluß seiner amtlichen Thätigkeit veranstalteten die größeren Gesangvereine Dresdens eine Feier, bestehend in Lampionszug und Ständchen und darauffolgendem Commers, auf dem die Anregung zur Gründung einer Vereinigung dieser Vereine erfolgte, welche auch am 6. Mai 1876 sich vollzog, wobei O. zum Ehrendirigent des seinen Namen tragenden Julius-Otto-Bundes ernannt wurde.

Schon beim Begräbniß Otto’s sprach der Vorsitzende des Bundes den Wunsch an, derselbe möge dem Verstorbenen ein Denkmal errichten. Nachdem die deutschen Männergesangvereine zu Beiträgen aufgefordert worden waren, konnte man an die Ausführung gehen. Das königl. Ministerium des Innern bewilligte aus dem Kunstfond 9500 Mark zur Herstellung des Figurenschmuckes und am 1. September 1886 erfolgte die Enthüllung des Denkmals, welches nach dem Entwurfe vom Bildhauer Dr. Kietz ausgeführt wurde. Den architektonischen [760] Theil haben Baurath Professor Weißbach und Architekt Karl Barth bearbeitet, den Guß C. Albert Bierling in Dresden besorgt, während den Sockel in Granit und polirtem Syenit Friedrich Rietscher in Niederhäßlich ausführte.

Die Kosten beliefen sich auf 21000 Mark. Als Aufstellungsplatz war vom Rathe und den Stadtverordneten der Georgsplatz vor dem Gymnasium zum heiligen Kreuz (Kreuzschule), der langjährigen Wirkungsstätte Julius Otto’s, bewilligt worden.

Otto’s älterem Sohn, dem in der Sängerwelt beliebten Dichter Julius O., geb. am 11. Juli 1825 in Dresden, † am 5. November 1847 in Pirna, wurde dort seitens der Sängerschaft ein Denkmal in den städtischen Anlagen gesetzt, welches am 8. November 1874 enthüllt wurde.

Quelle: Allgemeine Deutsche Biographie

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