Liederlexikon: Kommersieren

| 1926

Wenn ich übrigens den Kommers soeben als ein Massentrinken bezeichnet habe, so ist das ganz subjektiv gemeint, d. h. ich betrachte die Masse als Subjekt des Comments. Versteht man unter der Masse das Objekt, so wird im Verlaufe des Kommerses das Objekt zum Subjekt und das Subjekt zum Objekt, wie dann überhaupt so viele Dinge, z. B. die Viehbub und der Saumagd und der Viehmagd und die Saubub, miteinander vertauscht zu werden pflegen. Ich weiß nicht, ob das klar ist. Wem es nicht klar ist, der betrachte es als den philosophischen Teil meiner Ausführungen.

In die gemeine Bierdeutlichkeit übersetzt, soll das aber heißen, daß der Mensch sich nicht um jeden Preis besaufen soll. Ich bitte wohl zu bemerken: ich sage nicht, daß er sich nicht besaufen soll; ich möchte hier um alles nicht mißverstanden werden; er soll es nur nicht um jeden Preis thun. (Ich denke bei »Preis« nicht an Geld; denn erstens ist das Qualitative immer selbstverständlich, und zweitens würde ich dann » für jeden Preis« sagen.) Aus den Burschen, die mit der Vertilgung von 20 Seideln protzen und in jedem, der es nur auf 19 gebracht hat, einen fluchwürdigen Jämmerling sehen, werden nachher nur allzu oft jene Bürschchen, die aus dem Überschwang der Jugend nichts gerettet haben als Tugend und einen Magenkatarrh.

Der Mensch soll trinken, weil es ihm schmeckt, darum führt er den Ehrennamen »der schmeckende Mensch«, homo sapiens. Wem es aber so gut schmeckt, daß er mit der unschuldsvollen, ahnungslosen Seligkeit des Säuglings die Grenze der Mäßigkeit überschreitet, für den werde ich immer ein sehr mildes Urteil bereit haben. Überhaupt diese Grenze der Mäßigkeit – ich weiß nicht – es ist etwas so Merkwürdiges um diese Grenze. Wenn man noch weit von ihr entfernt ist, sieht man sie sehr scharf; hat man sie aber erreicht, so sieht man sie nicht mehr. Es ist eine heimtückische, infame, eine ganz famose Grenze.

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