Lenore fuhr ums Morgenrot
Empor aus schweren Träumen:
„Bist untreu, Wilhelm, oder tot?
Wie lange willst du säumen?“ –
Er war mit König Friedrichs Macht
Gezogen in die Prager Schlacht
Und hatte nicht geschrieben,
Ob er gesund geblieben.
Der König und die Kaiserin,
Des langen Haders müde,
Erweichten ihren harten Sinn
Und machten endlich Friede;
Und jedes Heer, mit Sing und Sang,
Mit Paukenschlag und Kling und Klang,
Geschmückt mit grünen Reisern,
Zog heim zu seinen Häusern.
Und überall, allüberall,
Auf Wegen und auf Stegen,
Zog alt und jung dem Jubelschall
Der Kommenden entgegen.
„Gottlob!“ rief Kind und Gattin laut,
„Willkommen!“ manche frohe Braut;
Ach! aber für Lenoren
War Gruß und Kuß verloren.
Sie frug den Zug wohl auf und ab
Und frug nach allen Namen;
Doch die erwünschte Kundschaft gab
Nicht einer, so da kamen.
Als nun das Heer vorüber war,
Zerraufte sie ihr Rabenhaar
Und taumelte zur Erde
Mit wilder Angstgebärde.
Die Mutter lief wohl hin zu ihr:
„Ach! daß sich Gott erbarme!
Du trautes Kind! was ist mir dir?“
Und schloß sie in die Arme.
„O Mutter, Mutter! Hin ist hin!
Nun fahre Welt und alles hin!
Gott heget kein Erbarmen;
O weh, o weh mir Armen!“ –
„Hilf Gott! Hilf! Sieh´ uns gnädig an!
Kind, bet´ ein Unser Vater!
Was Gott thut, das ist wohlgetan,
Gott, deines Heils Berater!“ –
„O Mutter, Mutter! Eitler Wahn!
Gott hat an mir nicht wohlgetan!
Was half, was half mein Beten?
Nun ist´s nicht mehr von nöten!“ –
„Hilf, Gott! hilf! Wer den Vater kennt,
Der weiß, er hilft den Kindern.
Das hochgelobte Sakrament
Wird deinen Jammer lindern.“ –
„O Mutter, Mutter, was mich brennt,
Das lindert mir kein Sakrament!
Kein Sakrament mag Leben
Den Toten wiedergeben!“ –
„Hör´ Kind! Wie, wenn der falsche Mann
Im fernen Ungerlande
Sich seines Glaubens abgethan
Zum neuen Ehebande?
Laß fahren, Kind, sein Herz dahin!
Sein Herz hat´s nimmermehr Gewinn!
Wann Seel und Leib sich trennen,
Wird ihn sein Meineid brennen!“ –
„O Mutter, Mutter! hin ist hin!
Verloren ist verloren!
Der Tod, der Tod ist mein Gewinn!
O wär ich nie geboren!
Lisch aus, mein Licht! auf ewig aus!
Stirb hin! stirb hin! in Nacht und Graus!
Kein Öl mag Glanz und Leben,
Mag´s nimmer wiedergeben!“ –
„Hilf Gott! hilf! Geh´ nicht ins Gericht
Mit deinem armen Kinde!
Sie weiß nicht, was die Zunge spricht;
Behalt´ ihr nicht die Sünde!
Ach Kind, vergiß dein irdisch Leid
Und denk´ an Gott und Seligkeit,
So wird doch deiner Seelen
Der Bräutigam nicht fehlen!“ –
„O Mutter! Was ist Seligkeit?
O Mutter, was ist Hölle?
Bei Wilhelm nur wohnt Seligkeit;
Wo Wilhelm fehlt, brennt Hölle!
Lisch aus, mein Licht! auf ewig aus!
Stirb hin! stirb hin! in Nacht und Graus!
Ohn´ ihn mag ich auf Erden,
Mag dort nicht selig werden!“ – –
So wütete Verzweifelung
Ihr in Gehirn und Adern.
Sie fuhr mit Gottes Fürsehung
Vermessen fort zu hadern,
Zerschlug den Busen und zerrang
Die Hand bis Sonnenuntergang,
Bis auf am Himmelsbogen
Die goldnen Sterne zogen.
Und außen, horch! ging´s trap trap trap,
Als wie von Rosses Hufen,
Und klirrend stieg ein Reiter ab
An des Geländers Stufen.
Und horch! und horch! den Pfortenring
Ging lose, leise, klinglingling!
Dann kamen durch die Pforte
Vernehmlich diese Worte:
„Holla! Holla! Thu´ auf, mein Kind!
Schläfst, Liebchen, oder wachst du?
Wie bist noch gegen mich gesinnt?
Und weinest oder lachst du?“ –
„Ach, Wilhelm! du? – So spät bei Nacht?
Geweinet hab´ ich und gewacht;
Ach! großes Leid erlitten!
Wo kömmst du geritten?“ –
„Wir satteln nur um Mitternacht.
Weit ritt ich her von Böhmen:
Ich habe spät mich aufgemacht
Und will dich mit mir nehmen!“ –
„Ach, Wilhelm! erst herein geschwind!
Den Hagedorn durchsaust der Wind!
Herein, in meinen Armen,
Herzliebster, zu erwarmen!“ –
„Laß sausen durch den Hagedorn,
Laß sausen, Kind, laß sausen!
Der Rappe scharrt! es klirrt der Sporn;
Ich darf allhier nicht hausen!
Komm, schürze, spring´ und schwinge dich
Auf meinen Rappen hinter mich!
Muß heut´ noch hundert Meilen
Mit dir ins Brautbett eilen.“ –
„Ach! wolltest hundert Meilen noch
Mich heut´ ins Brautbett tragen?
Und horch! Es brummt die Glocke noch,
Die elf schon angeschlagen.“ –
„Komm´, komm´! der volle Mond scheint hell;
Wir und die Toten reiten schnell,
Ich bringe dich, zur Wette,
Noch heut´ ins Hochzeitbette.“ –
„Sag´ an! wo? wie dein Kämmerlein?
Wo? wie das Hochzeitbettchen?“-
„Weit, weit von hier! Still, kühl und klein! –
Sechs Bretter und zwei Brettchen!“ –
„Hat´s Raum für mich?“ – „Für dich und mich!
Komm´, schürze, spring´ und schwinge dich!
Die Hochzeitsgäste hoffen;
Die Kammer steht uns offen.“ –
Und Liebchen schürzte, sprang und schwang
Sich auf das Roß behende;
Wohl um den trauten Reiter schlang
Sie ihre Lilienhände,
Haho! Haho! ha hopp hopp hopp!
Fort ging´s im sausenden Galopp,
Der volle Mond schien helle;
Wie ritten die Toten so schnelle!
Zur rechten und zur linken Hand
Vorbei vor ihren Blicken
Wie flogen Anger, Heid´ und Land!
Wie donnerten die Brücken!
„Graut Liebchen auch? – Der Mond scheint hell!
Hurra! Die Toten reiten schnell!
Graut Liebchen auch vor Toten?“ –
„Ach nein! doch laß die Toten!“
Was klang dort für Gesang und Klang?
Was flatterten die Raben?
Horch, Glockenklang! Horch, Totensang!
„Laßt uns den Leib begraben!“
Und näher zog ein Leichenzug,
Der Sarg und Totenbahre trug.
Das Lied war zu vergleichen
Dem Unkenruf in Teichen.
„Nach Mitternacht begrabt den Leib
Mit Klang und Sang und Klage!
Erst führ´ ich heim mein junges Weib;
Mit, mit zum Brautgelage!
Komm´, Küster, hier! Komm mit dem Chor
Und gurgle mir das Brautlied vor!
Komm´, Pfaff´, und sprich den Segen,
Eh´ wir zu Bett uns legen!“-
Still Klang und Sang – Die Bahre schwand. –
Gehorsam seinem Rufen
Kam´s, hurre! hurre! nachgerannt
Hart hinters Rappen Hufen,
Haho! haho! ha! hopp, hopp, hopp!
Fort ging´s im sausenden Galopp;
Der volle Mond schien helle;
Wie ritten die Toten so schnelle! –
Wie flogen rechts, wie flogen links
Die Hügel, Bäum´ und Hecken!
Wie flogen links und rechts und links
Die Dörfer, Städt´ und Flecken!
„Graut Liebchen auch? Der Mond scheint hell!
Hurra! Die Toten reiten schnell!
Graut Liebchen auch vor Toten?“ –
„Ach! Laß sie ruhn, die Toten!“ –
Sieh´ da! Juchhei! Am Hochgericht
Tanzt um des Rades Spindel,
Halb sichtbarlich, bei Mondenlicht,
Ein luftiges Gesindel.
„Sa! sa! Gesindel, hier! komm´ hier!
Gesindel, komm und folge mir!
Tanz´ uns den Hochzeitreigen,
Wann wir das Bett besteigen!“ –
Und das Gesindel, husch, husch, husch!
Kam hinten nach geprasselt,
Wie Wirbelwind am Haselbusch
Durch dürre Blätter rasselt.
Haho! haho! ha! hopp, hopp, hopp!
Fort ging´s im sausenden Galopp;
Der volle Mond schien helle;
Wie ritten die Toten so schnelle! –
Wie flog, was rund der Mond beschien,
Wie flog es in die Ferne!
Wie flogen oben überhin
Der Himmel und die Sterne!
„Graut Liebchen auch? Der Mond scheint hell!
„Hurra! die Toten reiten schnell!
Graut Liebchen auch vor Toten?“ –
„O weh! Laß ruhn die Toten!“ – – –
„Rapp´! Rapp´! Mich dünkt, der Hahn schon ruft, –
Bald wird der Sand verrinnen. –
Rapp´! Rapp´! Ich wittre Morgenluft,
Rapp´! Tummle dich von hinnen! –
Vollbracht! Vollbracht ist unser Lauf!
Das Hochzeitsbette thut sich auf;
Wir sind, wir sind zur Stelle;
Ha! reiten die Toten nicht schnelle?“ –
Rasch auf ein eisern Gitterthor
Ging´s mit verhängtem Zügel;
Mit schwanker Gert´ ein Schlag davor
Zersprengte Schloß und Riegel.
Die Flügel flogen klirrend auf,
Und über Gräber ging der Lauf;
Es blinkten Leichensteine
Ringsum im Mondenscheine.
Ha sieh´! ha sieh´! Im Augenblick,
Hu! hu! ein gräßlich Wunder!
Des Reiters Koller, Stück für Stück,
Fiel ab wie mürber Zunder,
Zum Schädel ohne Zopf und Schopf,
Zum nackten Schädel ward sein Kopf;
Sein Körper zum Gerippe
Mit Stundenglas und Hippe.
Hoch bäumte sich, wild schnob der Rapp´
Und sprühte Feuerfunken;
Und hui! war´s unter ihr hinab
Verschwunden und versunken!
Geheul! Geheul aus hoher Luft,
Gewinsel kam aus tiefer Gruft;
Lenorens Herz, mit Beben,
Rang zwischen Tod und Leben.
Nun tanzten wohl bei Mondenglanz
Rundum herum im Kreise
Die Geister einen Kettentanz
Und heulten diese Weise:
„Geduld! Geduld! Wenn´s Herz auch bricht!
Mit Gottes Allmacht hadre nicht!
Des Leibes bist du ledig;
Gott sei der Seele gnädig!“ Lenore fuhr ums Morgenrot
Empor aus schweren Träumen:
„Bist untreu, Wilhelm, oder tot?
Wie lange willst du säumen?“ –
Er war mit König Friedrichs Macht
Gezogen in die Prager Schlacht
Und hatte nicht geschrieben,
Ob er gesund geblieben.
Der König und die Kaiserin,
Des langen Haders müde,
Erweichten ihren harten Sinn
Und machten endlich Friede;
Und jedes Heer, mit Sing und Sang,
Mit Paukenschlag und Kling und Klang,
Geschmückt mit grünen Reisern,
Zog heim zu seinen Häusern.
Und überall, allüberall,
Auf Wegen und auf Stegen,
Zog alt und jung dem Jubelschall
Der Kommenden entgegen.
„Gottlob!“ rief Kind und Gattin laut,
„Willkommen!“ manche frohe Braut;
Ach! aber für Lenoren
War Gruß und Kuß verloren.
Sie frug den Zug wohl auf und ab
Und frug nach allen Namen;
Doch die erwünschte Kundschaft gab
Nicht einer, so da kamen.
Als nun das Heer vorüber war,
Zerraufte sie ihr Rabenhaar
Und taumelte zur Erde
Mit wilder Angstgebärde.
Die Mutter lief wohl hin zu ihr:
„Ach! daß sich Gott erbarme!
Du trautes Kind! was ist mir dir?“
Und schloß sie in die Arme.
„O Mutter, Mutter! Hin ist hin!
Nun fahre Welt und alles hin!
Gott heget kein Erbarmen;
O weh, o weh mir Armen!“ –
„Hilf Gott! Hilf! Sieh´ uns gnädig an!
Kind, bet´ ein Unser Vater!
Was Gott thut, das ist wohlgetan,
Gott, deines Heils Berater!“ –
„O Mutter, Mutter! Eitler Wahn!
Gott hat an mir nicht wohlgetan!
Was half, was half mein Beten?
Nun ist´s nicht mehr von nöten!“ –
„Hilf, Gott! hilf! Wer den Vater kennt,
Der weiß, er hilft den Kindern.
Das hochgelobte Sakrament
Wird deinen Jammer lindern.“ –
„O Mutter, Mutter, was mich brennt,
Das lindert mir kein Sakrament!
Kein Sakrament mag Leben
Den Toten wiedergeben!“ –
„Hör´ Kind! Wie, wenn der falsche Mann
Im fernen Ungerlande
Sich seines Glaubens abgethan
Zum neuen Ehebande?
Laß fahren, Kind, sein Herz dahin!
Sein Herz hat´s nimmermehr Gewinn!
Wann Seel und Leib sich trennen,
Wird ihn sein Meineid brennen!“ –
„O Mutter, Mutter! hin ist hin!
Verloren ist verloren!
Der Tod, der Tod ist mein Gewinn!
O wär ich nie geboren!
Lisch aus, mein Licht! auf ewig aus!
Stirb hin! stirb hin! in Nacht und Graus!
Kein Öl mag Glanz und Leben,
Mag´s nimmer wiedergeben!“ –
„Hilf Gott! hilf! Geh´ nicht ins Gericht
Mit deinem armen Kinde!
Sie weiß nicht, was die Zunge spricht;
Behalt´ ihr nicht die Sünde!
Ach Kind, vergiß dein irdisch Leid
Und denk´ an Gott und Seligkeit,
So wird doch deiner Seelen
Der Bräutigam nicht fehlen!“ –
„O Mutter! Was ist Seligkeit?
O Mutter, was ist Hölle?
Bei Wilhelm nur wohnt Seligkeit;
Wo Wilhelm fehlt, brennt Hölle!
Lisch aus, mein Licht! auf ewig aus!
Stirb hin! stirb hin! in Nacht und Graus!
Ohn´ ihn mag ich auf Erden,
Mag dort nicht selig werden!“ – –
So wütete Verzweifelung
Ihr in Gehirn und Adern.
Sie fuhr mit Gottes Fürsehung
Vermessen fort zu hadern,
Zerschlug den Busen und zerrang
Die Hand bis Sonnenuntergang,
Bis auf am Himmelsbogen
Die goldnen Sterne zogen.
Und außen, horch! ging´s trap trap trap,
Als wie von Rosses Hufen,
Und klirrend stieg ein Reiter ab
An des Geländers Stufen.
Und horch! und horch! den Pfortenring
Ging lose, leise, klinglingling!
Dann kamen durch die Pforte
Vernehmlich diese Worte:
„Holla! Holla! Thu´ auf, mein Kind!
Schläfst, Liebchen, oder wachst du?
Wie bist noch gegen mich gesinnt?
Und weinest oder lachst du?“ –
„Ach, Wilhelm! du? – So spät bei Nacht?
Geweinet hab´ ich und gewacht;
Ach! großes Leid erlitten!
Wo kömmst du geritten?“ –
„Wir satteln nur um Mitternacht.
Weit ritt ich her von Böhmen:
Ich habe spät mich aufgemacht
Und will dich mit mir nehmen!“ –
„Ach, Wilhelm! erst herein geschwind!
Den Hagedorn durchsaust der Wind!
Herein, in meinen Armen,
Herzliebster, zu erwarmen!“ –
„Laß sausen durch den Hagedorn,
Laß sausen, Kind, laß sausen!
Der Rappe scharrt! es klirrt der Sporn;
Ich darf allhier nicht hausen!
Komm, schürze, spring´ und schwinge dich
Auf meinen Rappen hinter mich!
Muß heut´ noch hundert Meilen
Mit dir ins Brautbett eilen.“ –
„Ach! wolltest hundert Meilen noch
Mich heut´ ins Brautbett tragen?
Und horch! Es brummt die Glocke noch,
Die elf schon angeschlagen.“ –
„Komm´, komm´! der volle Mond scheint hell;
Wir und die Toten reiten schnell,
Ich bringe dich, zur Wette,
Noch heut´ ins Hochzeitbette.“ –
„Sag´ an! wo? wie dein Kämmerlein?
Wo? wie das Hochzeitbettchen?“-
„Weit, weit von hier! Still, kühl und klein! –
Sechs Bretter und zwei Brettchen!“ –
„Hat´s Raum für mich?“ – „Für dich und mich!
Komm´, schürze, spring´ und schwinge dich!
Die Hochzeitsgäste hoffen;
Die Kammer steht uns offen.“ –
Und Liebchen schürzte, sprang und schwang
Sich auf das Roß behende;
Wohl um den trauten Reiter schlang
Sie ihre Lilienhände,
Haho! Haho! ha hopp hopp hopp!
Fort ging´s im sausenden Galopp,
Der volle Mond schien helle;
Wie ritten die Toten so schnelle!
Zur rechten und zur linken Hand
Vorbei vor ihren Blicken
Wie flogen Anger, Heid´ und Land!
Wie donnerten die Brücken!
„Graut Liebchen auch? – Der Mond scheint hell!
Hurra! Die Toten reiten schnell!
Graut Liebchen auch vor Toten?“ –
„Ach nein! doch laß die Toten!“
Was klang dort für Gesang und Klang?
Was flatterten die Raben?
Horch, Glockenklang! Horch, Totensang!
„Laßt uns den Leib begraben!“
Und näher zog ein Leichenzug,
Der Sarg und Totenbahre trug.
Das Lied war zu vergleichen
Dem Unkenruf in Teichen.
„Nach Mitternacht begrabt den Leib
Mit Klang und Sang und Klage!
Erst führ´ ich heim mein junges Weib;
Mit, mit zum Brautgelage!
Komm´, Küster, hier! Komm mit dem Chor
Und gurgle mir das Brautlied vor!
Komm´, Pfaff´, und sprich den Segen,
Eh´ wir zu Bett uns legen!“-
Still Klang und Sang – Die Bahre schwand. –
Gehorsam seinem Rufen
Kam´s, hurre! hurre! nachgerannt
Hart hinters Rappen Hufen,
Haho! haho! ha! hopp, hopp, hopp!
Fort ging´s im sausenden Galopp;
Der volle Mond schien helle;
Wie ritten die Toten so schnelle! –
Wie flogen rechts, wie flogen links
Die Hügel, Bäum´ und Hecken!
Wie flogen links und rechts und links
Die Dörfer, Städt´ und Flecken!
„Graut Liebchen auch? Der Mond scheint hell!
Hurra! Die Toten reiten schnell!
Graut Liebchen auch vor Toten?“ –
„Ach! Laß sie ruhn, die Toten!“ –
Sieh´ da! Juchhei! Am Hochgericht
Tanzt um des Rades Spindel,
Halb sichtbarlich, bei Mondenlicht,
Ein luftiges Gesindel.
„Sa! sa! Gesindel, hier! komm´ hier!
Gesindel, komm und folge mir!
Tanz´ uns den Hochzeitreigen,
Wann wir das Bett besteigen!“ –
Und das Gesindel, husch, husch, husch!
Kam hinten nach geprasselt,
Wie Wirbelwind am Haselbusch
Durch dürre Blätter rasselt.
Haho! haho! ha! hopp, hopp, hopp!
Fort ging´s im sausenden Galopp;
Der volle Mond schien helle;
Wie ritten die Toten so schnelle! –
Wie flog, was rund der Mond beschien,
Wie flog es in die Ferne!
Wie flogen oben überhin
Der Himmel und die Sterne!
„Graut Liebchen auch? Der Mond scheint hell!
„Hurra! die Toten reiten schnell!
Graut Liebchen auch vor Toten?“ –
„O weh! Laß ruhn die Toten!“ – – –
„Rapp´! Rapp´! Mich dünkt, der Hahn schon ruft, –
Bald wird der Sand verrinnen. –
Rapp´! Rapp´! Ich wittre Morgenluft,
Rapp´! Tummle dich von hinnen! –
Vollbracht! Vollbracht ist unser Lauf!
Das Hochzeitsbette thut sich auf;
Wir sind, wir sind zur Stelle;
Ha! reiten die Toten nicht schnelle?“ –
Rasch auf ein eisern Gitterthor
Ging´s mit verhängtem Zügel;
Mit schwanker Gert´ ein Schlag davor
Zersprengte Schloß und Riegel.
Die Flügel flogen klirrend auf,
Und über Gräber ging der Lauf;
Es blinkten Leichensteine
Ringsum im Mondenscheine.
Ha sieh´! ha sieh´! Im Augenblick,
Hu! hu! ein gräßlich Wunder!
Des Reiters Koller, Stück für Stück,
Fiel ab wie mürber Zunder,
Zum Schädel ohne Zopf und Schopf,
Zum nackten Schädel ward sein Kopf;
Sein Körper zum Gerippe
Mit Stundenglas und Hippe.
Hoch bäumte sich, wild schnob der Rapp´
Und sprühte Feuerfunken;
Und hui! war´s unter ihr hinab
Verschwunden und versunken!
Geheul! Geheul aus hoher Luft,
Gewinsel kam aus tiefer Gruft;
Lenorens Herz, mit Beben,
Rang zwischen Tod und Leben.
Nun tanzten wohl bei Mondenglanz
Rundum herum im Kreise
Die Geister einen Kettentanz
Und heulten diese Weise:
„Geduld! Geduld! Wenn´s Herz auch bricht!
Mit Gottes Allmacht hadre nicht!
Des Leibes bist du ledig;
Gott sei der Seele gnädig!“ Lenore fuhr ums Morgenrot
Empor aus schweren Träumen:
„Bist untreu, Wilhelm, oder tot?
Wie lange willst du säumen?“ –
Er war mit König Friedrichs Macht
Gezogen in die Prager Schlacht
Und hatte nicht geschrieben,
Ob er gesund geblieben.
Der König und die Kaiserin,
Des langen Haders müde,
Erweichten ihren harten Sinn
Und machten endlich Friede;
Und jedes Heer, mit Sing und Sang,
Mit Paukenschlag und Kling und Klang,
Geschmückt mit grünen Reisern,
Zog heim zu seinen Häusern.
Und überall, allüberall,
Auf Wegen und auf Stegen,
Zog alt und jung dem Jubelschall
Der Kommenden entgegen.
„Gottlob!“ rief Kind und Gattin laut,
„Willkommen!“ manche frohe Braut;
Ach! aber für Lenoren
War Gruß und Kuß verloren.
Sie frug den Zug wohl auf und ab
Und frug nach allen Namen;
Doch die erwünschte Kundschaft gab
Nicht einer, so da kamen.
Als nun das Heer vorüber war,
Zerraufte sie ihr Rabenhaar
Und taumelte zur Erde
Mit wilder Angstgebärde.
Die Mutter lief wohl hin zu ihr:
„Ach! daß sich Gott erbarme!
Du trautes Kind! was ist mir dir?“
Und schloß sie in die Arme.
„O Mutter, Mutter! Hin ist hin!
Nun fahre Welt und alles hin!
Gott heget kein Erbarmen;
O weh, o weh mir Armen!“ –
„Hilf Gott! Hilf! Sieh´ uns gnädig an!
Kind, bet´ ein Unser Vater!
Was Gott thut, das ist wohlgetan,
Gott, deines Heils Berater!“ –
„O Mutter, Mutter! Eitler Wahn!
Gott hat an mir nicht wohlgetan!
Was half, was half mein Beten?
Nun ist´s nicht mehr von nöten!“ –
„Hilf, Gott! hilf! Wer den Vater kennt,
Der weiß, er hilft den Kindern.
Das hochgelobte Sakrament
Wird deinen Jammer lindern.“ –
„O Mutter, Mutter, was mich brennt,
Das lindert mir kein Sakrament!
Kein Sakrament mag Leben
Den Toten wiedergeben!“ –
„Hör´ Kind! Wie, wenn der falsche Mann
Im fernen Ungerlande
Sich seines Glaubens abgethan
Zum neuen Ehebande?
Laß fahren, Kind, sein Herz dahin!
Sein Herz hat´s nimmermehr Gewinn!
Wann Seel und Leib sich trennen,
Wird ihn sein Meineid brennen!“ –
„O Mutter, Mutter! hin ist hin!
Verloren ist verloren!
Der Tod, der Tod ist mein Gewinn!
O wär ich nie geboren!
Lisch aus, mein Licht! auf ewig aus!
Stirb hin! stirb hin! in Nacht und Graus!
Kein Öl mag Glanz und Leben,
Mag´s nimmer wiedergeben!“ –
„Hilf Gott! hilf! Geh´ nicht ins Gericht
Mit deinem armen Kinde!
Sie weiß nicht, was die Zunge spricht;
Behalt´ ihr nicht die Sünde!
Ach Kind, vergiß dein irdisch Leid
Und denk´ an Gott und Seligkeit,
So wird doch deiner Seelen
Der Bräutigam nicht fehlen!“ –
„O Mutter! Was ist Seligkeit?
O Mutter, was ist Hölle?
Bei Wilhelm nur wohnt Seligkeit;
Wo Wilhelm fehlt, brennt Hölle!
Lisch aus, mein Licht! auf ewig aus!
Stirb hin! stirb hin! in Nacht und Graus!
Ohn´ ihn mag ich auf Erden,
Mag dort nicht selig werden!“ – –
So wütete Verzweifelung
Ihr in Gehirn und Adern.
Sie fuhr mit Gottes Fürsehung
Vermessen fort zu hadern,
Zerschlug den Busen und zerrang
Die Hand bis Sonnenuntergang,
Bis auf am Himmelsbogen
Die goldnen Sterne zogen.
Und außen, horch! ging´s trap trap trap,
Als wie von Rosses Hufen,
Und klirrend stieg ein Reiter ab
An des Geländers Stufen.
Und horch! und horch! den Pfortenring
Ging lose, leise, klinglingling!
Dann kamen durch die Pforte
Vernehmlich diese Worte:
„Holla! Holla! Thu´ auf, mein Kind!
Schläfst, Liebchen, oder wachst du?
Wie bist noch gegen mich gesinnt?
Und weinest oder lachst du?“ –
„Ach, Wilhelm! du? – So spät bei Nacht?
Geweinet hab´ ich und gewacht;
Ach! großes Leid erlitten!
Wo kömmst du geritten?“ –
„Wir satteln nur um Mitternacht.
Weit ritt ich her von Böhmen:
Ich habe spät mich aufgemacht
Und will dich mit mir nehmen!“ –
„Ach, Wilhelm! erst herein geschwind!
Den Hagedorn durchsaust der Wind!
Herein, in meinen Armen,
Herzliebster, zu erwarmen!“ –
„Laß sausen durch den Hagedorn,
Laß sausen, Kind, laß sausen!
Der Rappe scharrt! es klirrt der Sporn;
Ich darf allhier nicht hausen!
Komm, schürze, spring´ und schwinge dich
Auf meinen Rappen hinter mich!
Muß heut´ noch hundert Meilen
Mit dir ins Brautbett eilen.“ –
„Ach! wolltest hundert Meilen noch
Mich heut´ ins Brautbett tragen?
Und horch! Es brummt die Glocke noch,
Die elf schon angeschlagen.“ –
„Komm´, komm´! der volle Mond scheint hell;
Wir und die Toten reiten schnell,
Ich bringe dich, zur Wette,
Noch heut´ ins Hochzeitbette.“ –
„Sag´ an! wo? wie dein Kämmerlein?
Wo? wie das Hochzeitbettchen?“-
„Weit, weit von hier! Still, kühl und klein! –
Sechs Bretter und zwei Brettchen!“ –
„Hat´s Raum für mich?“ – „Für dich und mich!
Komm´, schürze, spring´ und schwinge dich!
Die Hochzeitsgäste hoffen;
Die Kammer steht uns offen.“ –
Und Liebchen schürzte, sprang und schwang
Sich auf das Roß behende;
Wohl um den trauten Reiter schlang
Sie ihre Lilienhände,
Haho! Haho! ha hopp hopp hopp!
Fort ging´s im sausenden Galopp,
Der volle Mond schien helle;
Wie ritten die Toten so schnelle!
Zur rechten und zur linken Hand
Vorbei vor ihren Blicken
Wie flogen Anger, Heid´ und Land!
Wie donnerten die Brücken!
„Graut Liebchen auch? – Der Mond scheint hell!
Hurra! Die Toten reiten schnell!
Graut Liebchen auch vor Toten?“ –
„Ach nein! doch laß die Toten!“
Was klang dort für Gesang und Klang?
Was flatterten die Raben?
Horch, Glockenklang! Horch, Totensang!
„Laßt uns den Leib begraben!“
Und näher zog ein Leichenzug,
Der Sarg und Totenbahre trug.
Das Lied war zu vergleichen
Dem Unkenruf in Teichen.
„Nach Mitternacht begrabt den Leib
Mit Klang und Sang und Klage!
Erst führ´ ich heim mein junges Weib;
Mit, mit zum Brautgelage!
Komm´, Küster, hier! Komm mit dem Chor
Und gurgle mir das Brautlied vor!
Komm´, Pfaff´, und sprich den Segen,
Eh´ wir zu Bett uns legen!“-
Still Klang und Sang – Die Bahre schwand. –
Gehorsam seinem Rufen
Kam´s, hurre! hurre! nachgerannt
Hart hinters Rappen Hufen,
Haho! haho! ha! hopp, hopp, hopp!
Fort ging´s im sausenden Galopp;
Der volle Mond schien helle;
Wie ritten die Toten so schnelle! –
Wie flogen rechts, wie flogen links
Die Hügel, Bäum´ und Hecken!
Wie flogen links und rechts und links
Die Dörfer, Städt´ und Flecken!
„Graut Liebchen auch? Der Mond scheint hell!
Hurra! Die Toten reiten schnell!
Graut Liebchen auch vor Toten?“ –
„Ach! Laß sie ruhn, die Toten!“ –
Sieh´ da! Juchhei! Am Hochgericht
Tanzt um des Rades Spindel,
Halb sichtbarlich, bei Mondenlicht,
Ein luftiges Gesindel.
„Sa! sa! Gesindel, hier! komm´ hier!
Gesindel, komm und folge mir!
Tanz´ uns den Hochzeitreigen,
Wann wir das Bett besteigen!“ –
Und das Gesindel, husch, husch, husch!
Kam hinten nach geprasselt,
Wie Wirbelwind am Haselbusch
Durch dürre Blätter rasselt.
Haho! haho! ha! hopp, hopp, hopp!
Fort ging´s im sausenden Galopp;
Der volle Mond schien helle;
Wie ritten die Toten so schnelle! –
Wie flog, was rund der Mond beschien,
Wie flog es in die Ferne!
Wie flogen oben überhin
Der Himmel und die Sterne!
„Graut Liebchen auch? Der Mond scheint hell!
„Hurra! die Toten reiten schnell!
Graut Liebchen auch vor Toten?“ –
„O weh! Laß ruhn die Toten!“ – – –
„Rapp´! Rapp´! Mich dünkt, der Hahn schon ruft, –
Bald wird der Sand verrinnen. –
Rapp´! Rapp´! Ich wittre Morgenluft,
Rapp´! Tummle dich von hinnen! –
Vollbracht! Vollbracht ist unser Lauf!
Das Hochzeitsbette thut sich auf;
Wir sind, wir sind zur Stelle;
Ha! reiten die Toten nicht schnelle?“ –
Rasch auf ein eisern Gitterthor
Ging´s mit verhängtem Zügel;
Mit schwanker Gert´ ein Schlag davor
Zersprengte Schloß und Riegel.
Die Flügel flogen klirrend auf,
Und über Gräber ging der Lauf;
Es blinkten Leichensteine
Ringsum im Mondenscheine.
Ha sieh´! ha sieh´! Im Augenblick,
Hu! hu! ein gräßlich Wunder!
Des Reiters Koller, Stück für Stück,
Fiel ab wie mürber Zunder,
Zum Schädel ohne Zopf und Schopf,
Zum nackten Schädel ward sein Kopf;
Sein Körper zum Gerippe
Mit Stundenglas und Hippe.
Hoch bäumte sich, wild schnob der Rapp´
Und sprühte Feuerfunken;
Und hui! war´s unter ihr hinab
Verschwunden und versunken!
Geheul! Geheul aus hoher Luft,
Gewinsel kam aus tiefer Gruft;
Lenorens Herz, mit Beben,
Rang zwischen Tod und Leben.
Nun tanzten wohl bei Mondenglanz
Rundum herum im Kreise
Die Geister einen Kettentanz
Und heulten diese Weise:
„Geduld! Geduld! Wenn´s Herz auch bricht!
Mit Gottes Allmacht hadre nicht!
Des Leibes bist du ledig;
Gott sei der Seele gnädig!“
Text: Gottfried August Bürger – 1774
Musik: mehrfach in Musik gesetzt, teils als Strophenlied ( Kirnberger ), teils durchkomponiert ( Löwe ) bald als Melodrama behandelt ( Liszt ), weitere Vertonungen
in Volkstümliche Lieder der Deutschen – 1895
Die erste aller deutschen Balladen (nach Böhme ) und offenbar angeregt durch die englische Ballade „Wilhelms Geist“, zuerst abgedruckt im Göttinger Musenalmanach 1774, S.214. Sie machte Bürgers Dichternamen plötzlich und glänzend bekannt.