Lasset heut im edlen Kreis meine Warnung gelten
nehmt die ernste Stimmung wahr, denn sie kommt so selten
Manches habt ihr vorgenommen
manches ist euch schlecht bekommen
und ich muß euch schelten
Reue soll man doch einmal in der Welt empfinden
so bekennt vertraut und fromm eure größten Sünden
Aus des Irrtums falschen Weiten
sammelt euch und sucht beizeiten
euch zurechtzufinden
Ja, wir haben, sei´s bekannt, wachend oft geträumet
nicht geleert das frische Glas, wenn der Wein geschäumet
manche rasche Schäferstunde
flüchtgen Kuß vom lieben Munde
haben wir versäumet
Still und maulfaul, saßen wir, wenn Philister schwätzten
über göttlichen Gesang ihr Geklatsche schätzten
wegen glücklicher Momente
deren man sich rühmen könnte
uns zur Rede setzten
Willst du Absolution deinen Treuen geben
wollen wir nach deinem Wink unablässig streben
uns vom Halben zu entwöhnen
und im Ganzen, Guten, Schönen
resolut zu leben
Den Philistern allzumal wohlgemut zu schnippen
jenen Perlenschaum des Weins nicht nur flach zu nippen
nicht nur liebeln leis mit Augen
sondern fest uns anzusaugen
an geliebte Lippen.
Text: Goethe (1804)
Musik: auf die Melodie von Gaudeamus Igitur , auch vertont von Johann Friedrich Reichardt und Wilhelm Ehlers –
u.a. in Allgemeines Deutsches Kommersbuch (1858) – Liederbuch des Handwerker-Vereins zu Potsdam (1859)