In verhängnisschwere Tage
hat das Schicksal uns gestellt
wieder steht an einem großen
ernsten Wendepunkt die Welt
Aus sich selbst sie zu verjüngen
ringen sich aus ihrem Schoß
Neue ungeahnte Formen
unter herben Wehen los
Jeder Riß, der in den Geistern
zwischen sonst und heute klafft
Immer tiefer, immer breiter
wird er durch die Wissenschaft
die mit allem Überlebten
mutig und entschieden bricht
und die Nebel alter Träume
scheucht mit ihrer Sonne Licht
Bis zum Grund in allen Fugen
hat des Alten Bau gebebt
seit den tief gebeugten Nacken
und das bleiche Haupt erhebt
Seit, ein Simson, an die Säulen
wie zum Spiele legt die Hand
Jener junge finst´re Riese
der erwachte vierte Stand
Nicht die Schleppe derer tragen
die in Glanz und Ehren steh´n
ruhig seine eig´nen Pfade
will er für die Zukunft geh´n
Und er fordert nur das eine
fürder weder Herr noch Knecht
Freie off´ne Bahn für alle
und für alle gleiches Recht
In den Hader der Parteien
die der Glaube schroff entzweit
wirft er stolz den Ruf vom Wissen
das allein den Geist befreit
Und dem blinden Haß der Völker
und der Schlachten blut´gen Ruhm
stellt er leuchtend gegenüber
echtes, schönes Menschentum
Staunend und geblendet steht er
vor des Wissens reichem Hort
und verzaubert und ergriffen
lauscht er auf der Dichter Wort
Doch ein schmerzliches Erbarmen
faßt ihn hart und eisern an
daß er nichts von all den Schätzen
denen vor ihm geben kann
Was wir mühsam nur errungen
denen nach uns sei es leicht
keinem, der da hungern werde
mehr ein Stein für Brot gereicht
Nicht ein Wahn ist solches Streben
nicht ein Traum, der uns betört
Nein, ein Ringem dem die Zukunft
allem Hohn zum Trotz gehört
Text: Verfasser unbekannt –
Musik: auf die Melodie von “ Deutschland Deutschland über alles “
in Max Kegel : Sozialdemokratisches Liederbuch von 1896 , Seite 60