In der Väter Halle ruhte
Ritter Rudolfs Heldenarm
Rudolfs, den die Schlacht erfreute
Rudolfs, welchen Frankreich scheute
und der Sarazenen Schwarm
Er, der letzte seines Stammes,
weinte seiner Söhne Fall,
zwischen moosbewachsenen Mauern
tönte seiner Klage Trauern
in der Zellen Widerhall.
Agnes mit den goldnen Locken,
war des Greises Trost und Stab;
sanft wie Tauben, weiß wie Schwäne,
küßte sie des Vaters Träne
von den grauen Wimpern ab.
Ach, sie weinte selbst im stillen,
wenn der Mond ins Fenster schien.
Albrecht mit der offnen Stirne
brannte für die edle Dirne,
und die Dirne liebt ihn.
Aber Horst, der hundert Krieger
unterhielt in eignem Sold,
rühmte seines Stammes Ahnen,
prangte mit erfochtnen Fahnen,
und der Vater war ihm hold.
Einst beim freien Mahle küßte
Albrecht ihre weiche Hand,
ihre sanften Augen strebten
ihn zu strafen, ach! da bebten
Tränen auf das Busenband.
Horst entbrannte, blickte seitwärts
auf sein schweres Mordgewehr;
auf des Ritters Wange glühte
Zorn und Liebe; Feuer sprühte
aus den Augen wild umher.
Drohend warf er seinen Handschuh
in der Agnes keuschen Schoß:
»Albrecht nimm! zu dieser Stunde
harr ich dein im Mühlengrunde!«
Kaum gesagt, schon flog sein Roß.
Albrecht nahm das Fehdezeichen
ruhig und bestieg sein Roß;
freute sich des Mädchens Zähre,
die der Lieb und ihm zur Ehre
aus den blauen Augen floß.
Rötlich schimmerte die Rüstung
in der Abendsonne Strahl;
von den Hufen ihrer Pferde
tönte weit umher die Erde
und die Hirsche flohn ins Tal.
Auf des Söllers Gitter lehnte
die betäubte Agnes sich,
sah die blanken Speere blinken,
sah – den edlen Albrecht sinken,
sank wie Albrecht und erblich.
Bang von leiser Ahnung spornet
Horst sein schaumbedeckter Pferd;
höret nun des Hauses Jammer,
eilet in des Fräuleins Kammer,
starrt und stürzt sich in sein Schwert.
Rudolf nahm die kalte Tochter
in den väterlichen Arm,
hielt sie so zwei lange Tage,
tränenlos und ohne Klage,
und verschied im stummen Harm
Text: Friedrich Leopold Graf zu Stolberg (1775)
in: Als der Großvater die Großmutter nahm (1885) 1775