Ihr Leute tretet näher h´ran
und nehmt euch ein Exempel dran!
Hört, was neulich an der Spreen
in der Hauptstadt ist geschehn
Jedes treue Preußenherz
ebt die Blicke himmelwärts
und erkennt, wie jeden Morgen
Gott tut für den König sorgen
Ravaillac bracht Heinrich um
Ankerström war auch nicht dumm
und Fieschi, der Verräter
war ein arger Attentäter
Doch im treuen Preußenland
war sowas noch nicht bekannt
war sowas noch gar nicht Mode
starb ein König nur am Tode
Unser guter König hörte
daß in Schlesien man empörte
Weil man hungerte nach Noten
doch Empörung ist verboten
Unten also in das Schloß
hält dem König sein Karoß
Das war morgens um die Achte
als noch niemand Böses dachte
Nöfschandeller stehn umher
in dem Arm ihr kurz Gewehr
und ein Kerl ist graugemantelt
in das Schloßportal gewandelt
Pocken hat er in´s Gesicht
das bedeutet Gutes nicht
Dunker hätte gleich erraten
daß er wollte attentaten
Seht, die edle Königin
setzt sich in den Wagen rin
Redern reicht ihr eine Düte
„Schmeckt-so-prächtig“ erster Güte
Und der König kommt heraus
fromm verschlafen sieht er aus
An den Wagen tut er treten
und ein Vaterunser beten
Wie er nun im Wagen sitzt
Tschech sein Terzerol abblitzt
Zweimal schießt er ohne Rührung
da folgt endlich Arretierung
Als der König ihn erblickt
von Gendarmen rings umstrickt
Kriegt auf einmal er Courage
und spricht: „L …“
Und der Wagen fährt ein wenig
Halt gebietet drauf der König
Spricht: „Das war ein dummer Spaß
wascht ´n Pelz und macht ´n nicht naß“
Reden heult und rennt zur Wache
schnaubt als Kammerherr um Rache
Fragt den Offizier: „Wie heißt er?“ —
Tschech. — „Und ist?“ — Ein Bürgermeister
Der König und die Königin
fuhren drauf zum Bahnhof hin
und die Kugeln tat man finden
in des Wagens tiefsten Gründen
Eine ging dem guten König
über seine Brust ein wenig
macht ihm eine kleine Wurst
doch das reizt noch mehr den Durst
Und kein Prinzlein war zu Hause
an dem Tag von Schreck und Grause
Ach, wie hätt es uns genieret
alleweil ganz unregieret
Eine Illumination
macht die dankbare Nation
weil der König nicht getroffen
ward den Abend viel gesoffen
Ihr Leute, tretet näher ran
und nehmt euch ein Exempel dran
Hört die Moral von dem Gedicht
Und traut kein´m Bürgemeister nicht
Dieses Lied auf das Attentat vom Bürgermeister Tschech
in: Handschrift, (vor 1848) Stadtbücherei Leipzig – nach Steinitz II 1962
Nöfschandeller = Neuchateller