So hab´ ich es nach langen Jahren
Zu diesen Posten noch gebracht
Und leider nur zu oft erfahren,
Wer hier im Land das Wetter macht.
Du sollst, verdammte Freiheit ! mir
Die Ruhe fürder nicht gefährden;
Lisette, noch ein Gläschen Bier !
Ich will ein guter Bürger werden.
Auch ich sprach einst vom Vaterland
Und solchen sonderbaren Dingen,
Ich trug das schwarzrotgoldne Band
Und ließ die Sporen furchtbar klingen:
Doch selig, wer im Gleise geht
Und still im Joche zieht auf Erden –
Was hilft die Genialität ?
Ich will ein guter Bürger werden.
Diogenes vor seiner Tonne –
Vortrefflich, wie beneid´ ich ihn !
Es war noch keine Julisonne,
Die jenen Glücklichen beschien.
Was Monarchie ? was Republik ?
Wie sich die Leute toll gebärden !
Zum Teufel mit der Politik !
Ich will ein guter Bürger werden.
Gewiß, man tobt sich einmal aus –
Es wär ja um die Jugend schade –
Doch, führt man erst sein eigen Haus,
So werden Fünfe plötzlich grade.
In welcher Mühle man uns mahlt,
Das macht uns nimmer viel Beschwerden.
Der ist mein Herr, der mich bezahlt –
Ich will ein guter Bürger werden.
Jedwedem Umtrieb bleib ich fern,
Der Henker mag das Volk beglücken !
Ein Orden ist ein eigner Stern,
Wer einen hat, der soll sich bücken.
Bück dich, mein Herz ! bald fahren wir
Zur Residenz mit eignen Pferden
Lisette, noch ein Gläschen Bier !
Ich will ein guter Bürger werden.
Text: Georgh Herwegh (1842), Originaltitel: Wohlgeboren
Musik: Michael Zachcial (2017) – Peter Rohland (1964?)