Ich trink, und trinkend fällt mir bei
Warum Naturreich dreifach sei
Die Tier und Menschen trinken, lieben
Ein jegliches nach seinen Trieben
Delphin und Adler, Floh und Hund
Empfindet Lieb und netzt den Mund
Was also trinkt und lieben kann
Wird in das erste Reich getan
Die Pflanze macht das zweite Reich
Dem ersten nicht an Güte gleich
Sie liebet nicht, doch kann sie trinken
Wenn Wolken träufelnd niedersinken
So trinkt die Zeder und der Klee
Der Weinstock und die Aloe
Drum, was nicht liebt, doch trinken kann
Wird in das zweite Reich getan
Das Steinreich macht das dritte Reich
Und hier sind Sand und Demant gleich
Kein Stein fühlt Durst und zarte Triebe
Er wächset ohne Trunk und Liebe
Drum, was nicht liebt noch trinken kann
Wird in das letzte Reich getan
Denn ohne Lieb und ohne Wein
Sprich, Mensch, was bleibst du noch?
Ein Stein
Text: Gotthold Ephraim Lessing (1747)
Musik: Verfasser unbekannt (1810)
Zuerst in „Der Naturforscher“, 1747 „Drei Reiche sind’s , die in der Welt…“ Text und Musik hier nach Hoffmann von Fallersleben, Volksgesangbuch 1848 und Erk: Germania. Volkstümliche Lieder der Deutschen (1895)