Ich kumm aus fremden Landen her

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Ich kumm aus fremden Landen her

Ich kumm aus fremden Landen her
und bring euch viel der neuen Mär
der neuen Mär bring ich so viel
mer dann ich euch hie sagen will
Die fremden Land die sind so weit
darin wächst uns gut Sommerzeit
darin da wachsen Blümlein rot und weiss
die brechen die Jungfrauen mit ganzem Fleiß
Und machen daraus einen Kranz
und tragen ihn an den Abendtanz
und lohn die Gesellen darum singen
bis einer das Kränzlein tut gewinnen

Mit Lust tret ich an diesen Ring
Gott grüß mir alle Burgerskind
Gott grüss mir sie alle geleiche
die armen als die reichen
Gott grüß mirs allgemeine
die grossen als die kleinen
solt ich ein grüessen die andern nit
so sprächens, ich wär kein singer nit
ist kein singer umb disen kreiss
der mich wol hört und ich nit weiss
derselbe tuo sich nit lang besinnen
und tuo bald zuo mir einher springen

Singer, so merk mich eben
ich will dir ein frag aufgeben
was ist höher weder gott
und was ist grösser dann der spott
und was ist weisser dann der schne
und was ist grüener dann der kle?
kanst mir das singen oder sagen
das Kränzlein sollst du gewunnen haben
darumb will ich jetz stille ston
und den singer zuo mir einher lon

(Ein anderer Singer tritt herein in den Kreis)

Mit Lust trit ich an diese Statt
Gott grüß mir ein ehrbarn weisen Rat
ein ehrbarn Rat nicht alleine
darzu ein ganze Gemeinde
Ein ehrbarn Rat hab ich wohl zu grüßen Macht
Gott grüß mir ein ganze Nachbarschaft
Gott grüß mir das Jungfräulein zart
und die des Kränzleins gemachet hat
Jungfrau ich kumm vor euch getreten
und hab euch vor nie kein mal gebeten
und bitt euch zarts Jungfräuelein
zum ersten mal um euer Kränzelein
Ihr wöllt mirs geben und nit versagen
So will ichs von euretwegen tragen
Von euretwegen nicht allein
von allen den Jungfräulein gemein
Die das Kränzlein hand machen lon
die Rat und Tat darzu Hand ton

„Singer du hast mir ein Frag aufgegeben
die gfallt mir wol und ist mir eben:
die Kron ist höher weder gott
die Schand ist größer denn der spott
der tag ist weisser denn der Schnee
das Märzenlaub ist grüner denn der Klee
singer, die frag hab ich dir tun sagen
das Kränzlin soltu verloren haben

Jungfrau so merkt mich eben
Ich will euch ein Frag aufgeben
Wann ihr mir tuts singen oder sagen
Euer Kränzlein sollt ihr länger tragen
Jungfrau sagt mir zu dieser Frist
welches die mittelst Blum im Kränzlein ist
Der Blumen aber gar viel seind
die umher in dem Kränzlein stehnd

Ich hör ein großes Schweigen
das Kränzlein will mir bleiben
so merkt mich liebe Jungfrau mein
ihr mögt wohl die mittelst Blum im Kränzlein sein
Darum so kumm ich vor euch getreten
und hab euch vor zweimal gebeten
so bitt ich euch zartes Jungfräulein
zum dritten Mal um Euer Kränzelein
Jungfrau hebt auf eure schneeweiße Hand
und gend dem Kränzlein einen Schwank
und setzt mirs auf mein gelbes Haar
das sich gleicht wie ein Igel z wahr

So schau gut Gsell so schaue
das gab mir ein schön Jungfraue
die Junfrau die mir das gab
Sie sprach „Gut Gsell behalt dir das!“

Jungfrau habt ihr kein Gliselein
daß ihr mir aufheftet mein Kränzelein
daß ich es nit tu verlieren
wo ich bin ganz spazieren
und eß ichs nit verzette
bis daß ich käm zu meim Bette
darnach so leg ichs in mein Truchen
darinnen liegt es die ganze Wuchen

Jungfrau ich soll euch grüßen
von der Scheitel bis auf die Füße
so grüß ich euch so oft und dick
als mancher Stern am Himmel blickt
als mancher Baum gewachsen mag
von Oster bis auf St. Michels Tag
Jungfrau ich soll euch danken
mit Schwaben und mit Franken
so ich die Franken nicht kann haben
so dank ich euch mit allen Webersknaben
Seind euch dieselben unbekannt
so dank ich euch mit meiner eignen Hand

Jungfrau ich soll euch schenken
ich will mich nit lang bedenken
so schenk ich euch ein gülden Wagen
darin ihr sollt gen Himmel fahren
Und ein gülden Kron, drei edel Stein
darin ist so schön der erste Stein
der ist auch also gute
Gott bhüt euch vor der Höllen Glute
Der ander ist so tugentreich
Gott gebe euch sein Himmelreich
Der dritte Stein ist so tugendhaft
Gott bhüt euch eure Jungfrauschaft
Damit will ichs bleiben lan
und jetzt aus diesen Reihen gan
So stand ich auf ein´m Lilgenblatt
Gott geb euch allen ein gute Nacht

weitere Strophen im Liederhort I (1856, Nr. 153b)

„Ein andere Frag aufzugeben.“

Ein Frag.

Singer, nu sag mir behend
wann es hat weder Füß noch Händ
und darzu weder Kopf noch Nas
und lauft geschwinder dann ein Has?
thu mir die Frag singen oder sagen
so will ich dich für ein Singer haben

Antwort.

Singer, das sag ich dir geschwind:
und Dasselb ist fürwahr der Wind,
der hat doch weder Kopf noch Nas
und lauft geschwinder dann ein Has.

Frag.

Singer, so sag mir doch allhie
und was Gott hat gesehen nie
und Gesicht es auch nimme?
merk, Singer, auf mein Stimme!
ein Bauer sicht es alle Tag:
sag mir allhie auch diese Frag

Antwort.

Singer, du sollt mich recht verstahn
die Frag will ich dich wissen lahn
das sag ich dir fürwahr allhie
Gott hat seins Gleichen gesehen nie
und gesicht es auch nimme
merk, Singer, auf mein Stimme!
fürwahr ich dir das sage:
Ein Bauer sieht den andern all Tage.

Frag.

Singer, es steht ein Mühl auf dieser Erden
was sie mahlet, thut wenig werden
die Mühl die hat fünf Räder gemein
und treibt nit mehr dann ein Mühlstein
das sag ich dir ohn alls Verdrießen
zehen Riegel thun die Mühl beschließen.

Antwort.

Singer, ich gib dir zu verstehn:
die Mühl ist das Evangelion;
die fünf Räder tu ich dir nennen,
das seind des Menschen fünf Sinnen;
der Glaub dieselben treiben tut,
die zehen Gebot das seind die Riegel gut

Text und Musik: Verfasser unbekannt

„Dieses Rätsellied beim Kranzsingen war im 16. Jahrhundert sehr viel im Gebrauche, sogar noch im Anfang des 17. Jahrhunderts abgedruckt., wie uns die Quellen für Text und Melodie bezeugen. Es muß aber wenigstens dem 15. Jahrhundert entstammen — Martin Luther nahm die erste Strophe des Liedes und seine Melodie für sein Weihnachtslied Vom Himmel hoch da komm ich her

in: Deutscher Liederhort III, Nr. 1062 (1893 , unter Rätsellieder ) – ganz ähnlich bereits  in Deutscher Liederhort (1856, Nr. 153b „Kranzsingen“) –

CDs und Bücher mit Ich kumm aus fremden Landen her:

Anmerkungen zu "Ich kumm aus fremden Landen her"

„Der Kranz war der Preis um den beim Ringeltanz ( Reigen ) von den Gesellen der verschiedenen Handwerke hier gesungen ward, aber dieser Gebrauch war älter, schon im Anfang des 13. Jahrhunderts zu Nithardt ´s Zeit gekannt und in Übung.“ (Erk / Böhme Liederhort III).

Abweichende Lesarten (im Liederhort):

Zweite Melodie zu Ich kumm aus fremden Landen her
Abweichende Lesarten (im Liederhort)

Abweichungen im Text

Zum Text:  (Liederhort I, 1856, Nr. 153b)

  • 1. lon, lahn, mhd. lon, lân, (sie) lassen. –
  • 2. Ring, Kreis, der freie Platz zwischen der ringsum versammelten Menge. – Vgl. Wunderhorn. III, 130; in neuster Aufl. III, 124. –
  • 3. weder, mhd. wēder, disjunctiv-fragendes Pron., welcher von zweien, – als. einher, herein. –
  • 4. trit, (ich) trete. vor, zuvor. hand, (sie) haben. thon, gethan. –
  • 5. (ist mir) eben, recht, bequem. –
  • 6. umher, herum. –
  • 7. beleiben, mhd. belîben, bleiben. Schwank, mhd. swanc, schwingende Bewegung, Schwung. sicht, sieht. zwar, mhd. zwâre, zwâr (ze = zuo, zu), fürwahr. –
  • 8. Glüfelein (im Druck: Glüffelein), von Glufe, Stecknadel. (Noch jetzt in der Gegend von Straßburg gebräuchlich.) verzetten, in kleinern Theilen (zerstreut) fallen lassen. Truche, mhd. truhe, Lade, Kiste. –
  • 9. die Scheitel, mhd. gleichfalls femin. gen. oft und dick, oft und wieder. mhd. dicke und ofte. –
  • 10. stand, (ich) stehe. Gilge, mhd. gilge (m.). Lilie. –
  • 11. wann, denn – nämlich. haben, halten. –
  • 13. nimme, mhd. nimmê = nie mê (mêre, mêr) nie mehr, nimmer, niemals.

"Ich kumm aus fremden Landen her" in diesen Liederbüchern

Quellenangaben:

  • a)  Fliegendes Blatt „Ein hübsch new Lied. Wie man umb ein Krantz singet“ – am Ende , gedruckt zu Nürnberg , durch Valentin Rewer. o. J. (um 1550-70) darnach der Text durch Erk im Wunderhorn 4, 265 , Liederhort S. 342 und hier .
  • b) Fliegendes Blatt „Ein hübsch new Lied Wie man umb ein Krantz singt“ Holzschnitt : Ein Singer , den Kranz aufhebend, zwischen zwei bekränzten Frauen . Am Schluß des Textes T.B.S. – Thiebolt Berger in Straßburg um 1570. Darnach bei Uhland Nr.3. Bis auf einzelne Worte und einige südd. Sprachform ( lin statt lein, Krantzlin, Jungfrewlin) ist der Text gleich mit dem in a.
  • c) Liederbuch des Paul von der Aeltst 1602 , Nr. 62. Mit vielen Varianten und Einschiebseln, die uns keiner Beachtung wert schienen. Spätere Verlängerung des Textes in allen 3 Quellen hat anderen Versbau und ist von Uhland wie auch hier weggelassen.

Weiter unten Näheres über die Melodie. Vgl. Uhland. I, 3, 7 u. 9.

Die Melodie des alten Kranzliedes steht

  • a) zu Luthers geistlichem Liede Vom Himmel hoch da komm ich her , 1535 in Klug ´s Gesangbuche , bis später 1539 in Schumann ´s Gesangbuch, die noch heute gesungene Choralmelodie dafür eintritt.
  • b) in Geistliche Ringeltentz 1550 Nr.2 , ebenfalls zu Luthers Liede mit der Überschrift: Ein ander Ringeltantz , als man umb den Krantz singet, vom Kindlen Jhesu zu Weihnachten . (Außer diesem noch zu 5 anderen Texten dort
  • c) in Thriller ´s Singbuch 1555 zu Es kam ein Engel hell und klar (was nur eine Umarbeitung des sogenannten Lutherschen Weihnachtsliedes ist , dazu die Überschrift: „Auf die Noten Aus fremden Landen komm ich her“ –
  • d) in M.  Praetorius Mus. Sion VI 1609 Nr. 27 , mit dem Weihnachtstexte „Vom Himmel kam der Engel Schaar“
  • e) in Hans Ott: 115 newe Liedlein , 1544 Nr., 106 zu einem kurzen weltlichen Krantzliede „Mit Lust trit ich an diesen Tanz“  Das ist ein Ausschnitt aus vorliegendem Rätselliede.
  • f) in Gesänge für gemeine Schulen 1544. Dort sind in einem fünfstimmigen Tonsatz von G. Forster beide melodien zu Luthers Liede kunstvoll miteinander so verbunden, daß die alte Tanzweise im Diskant, die zweite von 1539 im Tenor auftritt. — Schon vor Luthers und Thrillers Benutzung der weltlichen Krantzmelodie finden wir dieselbe schon 1530 einem geistlichen Texte von Hermann Vulpius geeignet:

„Nu kumb herzu du junge Schar
und was ich singe das nembt war
Mit Freuden wöllen wir singen
das fröhlich tut erklingen“

gedruckt als Flegendes Blatt „Vier geystliche Reyenlieder (Nr.1)
Überschrift „Ein Reyenlied, im thon, wie man umb krentz singt.“ Abd, Goedeke-Tittmann S.205