Eine entsetzliche Mordgeschichte von dem jungen Werther, wie sich derselbe den 21 Dezember durch einen Pistolenschuß eigenmächtig ums Leben gebracht. Allen jungen Leuten zur Warnung, in ein Lied gebracht, auch den Alten fast nützlich zu lesen.
Hört zu ihr Junggesellen
und ihr Jungfräulein zart
Damit ihr nicht zur Höllen
aus lauter Liebe fahrt
Die Liebe, traute Kinder!
Bringt hier auf dieser Welt
Den Heil´gen wie den Sünder
Um Leben Gut und Geld.
Ich sing euch von dem Mörder,
Der sich selbst hat entleibt
Er hieß: der junge Werther
Wie Doktor Goethe schreibt.
So witzig, so verständig
So zärtlich als wie er
Im Lieben so beständig
War noch kein Sekretär.
Ein Pfeil vom Liebesgotte
Fuhr ihm durchs Herz geschwind
Ein Mädchen, sie hieß Lotte
War eines Amtmanns Kind.
Die stand als Vize-Mutter
Geschwistern treulich vor
Und schmierte Brot mit Butter
Dem Fritz und Theodor.
Dem Liesgen und dem Kätgen
So traf sie Werther an
Und liebte gleich das Mädgen
Als wär´s ihm angetan.
Wie in der Kinder Mitte
Sie da mit munterm Scherz
Die Butterrahmen schnitte
Da raubt´ sie ihm das Herz.
Er sah, beklebt mit Rotze
Ein feines Brüderlein
Und küßt‘ dem Rotz zum Trotze
An ihm, die Schwester sein.
Fuhr aus, mit ihr zu tanzen
Wohl eine ganze Nacht
Schnitt Menuetts der Franzen
Und walzte, daß es kracht´
Sein Freund kam angestochen
Blies ihm ins Ohr hinein
„Das Mädgen ist versprochen
Und wird den Albert frein.“
Da wollt´ er fast vergehen
Spart´ weder Wunsch noch Fluch
Wie alles schön zu sehen
In Doktor Goethes Buch
Kühn ging er, zu verspotten
Geschick und seinen Herrn
Fast täglich nun zu Lotten,
Und Lotte sah ihn gem.
Er bracht den lieben Kindern
Lebkuchen, Marzipan
Doch alles konnt´s nicht hindern,
Der Albert wurd ihr Mann
Des Werthers Angstgewinsel
Ob diesem schlimmen Streich
Malt Doktor Goethes Pinsel
Und keiner tut´s ihm gleich.
Doch wollt er noch nicht wanken
Und stets bei Lotten sein,
Dem Albert macht’s Gedanken
Ihm träumte von Geweihn.
Herr Albert schaute bitter
Auf die Frau Albertin –
Da bat sie ihren Ritter
„Schlag mich dir aus dem Sinn.
Geh fort zieh in die Fremde
Es giebt der Mädchen mehr“ –
Er schwur beym letzten Hemde
Daß sie die einz’ge wär.
Als Albert einst verreiste
Sprach Lotte „bleib von mir“
Doch Werther flog ganz dreiste
In Alberts Haus zu ihr.
Da schickte sie nach Frauen
Und leider keine kam –
Nun hört mit Furcht und Grauen
Welch Ende alles nahm.
Der Werther las der Lotte
Aus einem Buche lang
Was einst ein alter Schotte
Vor tausend Jahren sang.
Es war gar herzbeweglich
Er fiel auf seine Knie
Und Lottens Auge kläglich
Belohnt ihm seine Müh.
Sie strich mit ihrer Nase
Vorbey an Werthers Mund,
Sprang auf als wie ein Hase
Und heulte wie ein Hund.
Lief in die nahe Kammer
Verriegelte die Thür
Und rief mit großem Jammer:
„Ach Werther geh von mir!“.
Der Arme muste weichen
Alberten dem’s verdroß
Konnt’s Lotte nicht verschweigen,
Da war der Teufel los.
Kein Werther konnt sie schützen
Der suchte Trost und Muth
Auf hoher Felsen Spitzen
Und kam um seinen Hut.
Zuletzt lies er Pistolen
Im Fall es nöthig wär
Vom Schwager Albert holen
Und Lotte gab sie her.
Weil’s Albert so wollt haben,
Nahm sie sie von der Wand
Und gab sie selbst dem Knaben
Mit Zittern in die Hand.
Nun konnt er sich mit Ehre
Nicht aus dem Handel ziehn
Ach Lotte! die Gewehre
Warum gabst du sie hin?
Alberten recht zum Possen
Und Lotten zum Verdruß
Fand man ihn früh erschossen –
Im Haupte stack der Schuß.
Es lag und das war’s beste
Auf seinem Tisch ein Buch
Gelb war des Todten Veste
Und blau sein Rock, von Tuch.
Als man ihn hingetragen
Zur Ruh bis jenen Tag
Begleit’n ihn kein Kragen
Und auch kein Ueberschlag
Man grub ihn nicht in Tempel
Man brennte ihm kein Licht
Mensch nimm dir ein Exempel
An dieser Mordgeschicht!
Text: Heinrich Gottfried Bretschneider (1776) –
Musik: Im Ton von Hört zu ihr lieben Christen
Eine Parodie im Stile des Bänkelsangs auf Goethes „Die Leiden des jungen Werthers“ (1774 erschienen)
in: Leute höret die Geschichte (1976)