Hört zu, ich will euch Weisheit singen!
Die Kunst, sich selber zu bezwingen
Kenn ich, ich kenn sie ganz allein.
Es lehrt kein Doktor, kein Professor
Sie gründlicher als ich und besser
Trinkt Wein! trinkt Wein! trinkt Wein!
Ihr werdet weise sein.
Reizt euch des Feindes Glück zum Neide
Deckt euch nur Woll, ihn Samt und Seide
Ihr geht, er muß gefahren seyn
Er fahr, und überrechne Schulden
Und ihr für euren letzten Gulden
Trinkt Wein! trinkt Wein! trinkt Wein!
Ihr schlafet ruhig ein.
Müßt ihr vor großen Herrn euch beugen
Seht ihr sie täglich höher steigen
Weist man euch ab, läßt Narren vor;
Laßt ihnen Reverenze machen,
Und um die Thoren zu belachen
Trinkt Wein! trinkt Nein! trinkt Wein!
Und ihr seid groß, sie klein.
Wenn Nachbarn eure Rechte kränken
Mit böser List und argen Ränken
Wer wird euch seinen Beistand leihn?
Geht ja nicht hin zu Rabulisten.
Die sich in euren Beutel nisten
Trinkt Wein! trinkt Wein! trinkt Wein
Ihr werdet bald verzeihn.
Hat sich das Glück zurückgezogen
Seyd ihr von Hoffnungen betrogen
Fällt hier und da ein Luftschloß ein:
Laßt ab, Ruinen zu beschauen.
Sucht euch ein neues zu erbauen:
Trinkt Wein! trinkt Wein! trinkt Wein!
Ihr legt den ersten Stein.
Wenn Madchen unempfindlich bleiben
Nur Scherz mit eurer Liebe treiben
Und spotten eurer Herzenspein:
Rast ja nicht gegen eignes Leben,
Und, statt mit Gift euch zu vergeben
Trinkt Wein! trinkt Wein! trinkt Wein!
Ihr werdet klüger sein
Wenn trinken große Sünde wäre
So müßte ja, bei meiner Ehre
Die halbe Welt des Teufels sein.
Glaubt ja nicht solche Schwärmereien!
Ob´s auch Zeloten nie verzeihen
Trinkt Wein! trinkt Wein! trinkt Wein!
Und laßt die Narren schrein.
Stellt sich ein furchtbares Gerippe,
Der blasse Tod mit seiner Hippe,
Bei euch unangemeldet ein;
Greift rasch nach einem vollen Becher
Und sprecht: willkommen lieber Zecher!
Trinkt Wein! trinkt Wein! trinkt Wein!
Und laß dein Töten sein
Text: Christian Felix Weise (1758)
Musik: Christian Gottlob Neefe
in Die Volkslieder der Deutschen (1834)