Vorwort: Volkssagen, Märchen und Legenden (1811)

Johann Gustav Büsching (in: Volkssagen, Märchen und Legenden)

Tiecks Märchen mußten mir über alles gefallen; denn in ihnen möchte am wahrsten der Weg getroffen sein, wie Märchen erzählt werden müssen, wenn sie in der Bearbeitung ein neues Sein erhalten sollen, aber dennoch behalten die neuen Volksmärchen der Deutschen, von Mdme. Naubert, weniges abgerechnet, stets den Vorrang bei mir und sind mir immer die liebsten und wertesten. Nicht allein wegen der reichen, herrlichen Stoffe, sondern auch vorzüglich wegen der sinnigen Bearbeitung, oft auch wegen der lieblichen Verflechtungen mehrerer Märchen in eines.

Wer wird nicht von dem stillen Volke, der lieblichen Erzählung von der Mutter Hulla, in dem Märchen vom kurzen Mantel, wie die Hulla so treu sorgsam sitzt und am Rocken der Freundin spinnt, die ihre Geduld so auf die Probe setzte, wer wird von dem ganz herrlichen Rübezahl’schen Märchen, Erdmann und Maria, so wie von dem schauerlichen, der weißen Frau, nicht auf mannichfache Art, wie ich, ergriffen worden sein? –

Auf diese Weise war ich befriedigt und das andere Heer der Märchensammlungen, so schlecht es mitunter war, konnte meinen Mißmut nicht erregen, da ich sie als ganz verfehlte Ansichten dieser lustigen und schönen Welt gleich zurückschob. So gingen alle Sammlungen bei mir vorbei, nur eine, Volksmärchen von Gustav, habe ich nie erhalten können, welches mir um so unangenehmer ist, da in meiner Familie der Glaube war, ich sei der Verfasser, da nahe,mir liebe Plätze, bei meiner Vaterstadt, der Tummelplatz waren und gleicher Vorname leicht zu solcher Annahme berechtigen konnte.

Je mehr die Märchenwelt mich anzog, je mehr Lust hatte auch ich, mich darin zu versuchen, aber ich fühlte nicht die Kraft in mir, ein liebliches Märchen, aus einem nur oft hingeworfenen Stoffe, zu bearbeiten, und in meinem Innern war eine Stimme, die mir immer zu sagen schien, es gäbe einen anderen Weg, der meinem ganzen geistigen Streben angemessen und noch jetzt fast gar nicht betreten sei. Die Volkssagen, nacherzählt von Otmar (Nachtigall), zeigten mir den Weg, den ich einzuschlagen hätte, wenn ich, meinem ganzen Triebe folgend, einen zweckmäßigen Gebrauch von meiner kommenden Sammlung in der Folge machen wollte. Ein inneres Drängen und Treiben zu literarischen Forschungen, selbst bei so leicht beweglichen Dingen, wie die Lieder, Sagen und Märchen des Volks, kann ich nicht ableugnen; denn ich habe es, durch mehrere Arbeiten, zu sehr bekundet. Man hat es manchmal getadelt und ein mit mir gleich gesinnter Freund teilt mit mir gleiche Rüge.

Ein weites Feld hierzu boten mir die Sagen, Märchen und Legenden in ihren verschiedenen Verzweigungen, in ihren Abweichungen und in ihren gegenseitigen Verbindungen andererseits. Manches schien mir hierbei unumgänglich nötig zu erinnern, besonders, da so viel Historisches durch sie alle geht. Wahre Historiker, ich nenne nur das Haupt aller, unsern Johannes von Müller, haben uns gelehrt, dass man die Sage nicht als ein nichtiges Fabelwesen niedertreten und verwerfen müsse, sondern dass auch sie, klug benutzt, in die Geschichte einzutreten vermöge und so sollte wohl der Blick aller mehr auf diese Sagengebilde geschärft werden.

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