Vorwort: Volkssagen, Märchen und Legenden (1811)

Johann Gustav Büsching (in: Volkssagen, Märchen und Legenden)

Wie ward mir, als mir in Deutscher Vorzeit eine neue Märchenwelt aufging; denn wie ein Märchen musste es mir erscheinen, in einer mir so dunkel geschilderten Zeit hellleuchtende Sterne zu sehen, in öden Gegenden Blumen wachsen zu finden, die dann doch auch recht zierlich waren und gar zu bekannt und heimisch. Mühsam arbeitete ich mich durch den verwachsenen Pfad, auf dieser, auf jener Seite konnte ich nicht weiter, ich machte fester auf einer die Probe und sie gelang.

Nur sehr langsam und allmählig konnte ich vorschreiten, die großen, erhabenen Gestalten der Nibelungen, die überkräftigen und bis zur Riesengröße gesteigerten Recken Karls des Großen, die wackern und zierlichen Degen des Hofes, den König Artus beherrschte, traten mir, in wunderbare Sagen verflochten, entgegen, und Bragur breitete dann auch die noch unendlichere und tief begründete Nordische Götterwelt vor mir aus.

Eine solche neue Welt, in der Sage und Geschichte neben einander schwebten, und in einander verbunden waren, mußte den Jüngling gewaltig ergreifen und ihn für immer bestimmen; also geschah es auch. Wie die Märchen in der frühen Kindheit seine Phantasie angezogen und belebt hatten, selbst den Knaben noch beschäftigend, so sollten die alten Mähren dem Jünglinge und Manne eine stets unerschöpfliche Quelle von Forschungen werden.

Nun kamen die alten Sagen auch wieder hervor, die ich in der Jugend gehört, bei vielen zeigte sich eine tiefere Quelle, ein unendlich bewunderungswürdiges Fortschreiten und verschwistert sein. Geschichte, Religion, Liebe und Dichtkunst verflochten sich so wunderbar, dass jede neue Erkenntniss höher reizte. – Da ward mir auch Musäus bekannter. Das Märchen, in dem die zierlichen Zwerge so treu die geliebte Herrin in dem gläsernen Sarge bewachten, zog mich, wegen seiner Lieblichkeit, besonders an, aber auch die drei Schwestern gefielen mir sehr wohl, so wie der Anfang der Libussa, Rolands Knappen und andere, doch war mir schon damals etwas in ihnen, was mir nicht recht behagte. Späterhin erkannte ich sehr wohl, was dies sei: ein ihm oftmals gemachter Vorwurf.

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