Vorwort: Des Knaben Wunderhorn

Achim von Arnim und Clemens von Brentano (in: Des Knaben Wunderhorn, Band 1, 1808, Vorwort)

Sr Excellenz: des Herrn Geheimerath von Goethe

Auf dem Reichstage zu Augsburg geschah ein guter Schwank von Grünenwald, Singer an des Herzogs Wilhelmen von München Hof. Er war ein guter Musikus und Zechbruder nahm nicht für gut was ihm an seines gnädigen Fürsten und Herren Tisch aufgetragen ward, sondern sucht sich anderswo gute Gesellschaft, so seines Gefallens und Kopfs wäre. mit ihm tapfer dämpften und zechten, kam so weit hinein daß alle Geschenke in der Schenken für nasse Waar und gute Bislein dahin gingen, nach mußt die Maus bas getauft werden, er macht dem Wirth bey acht Gulden an die Wand.

Als der Wirth erfuhr, daß der Herzog von München sammt andern Fürsten Herren aufbrechen wollte, so kam er zu dem guten Grünenwald, fodret seine angeschriebene Schuld. Lieber Wirth, sagt Grünenwald, ich bitt euch von wegen guter und freundlicher Gesellschaft, so wir nun lang zusammen gehabt, lassen die Sach also auf diesmal beruhen, bis ich gen München komm, denn ich bin jetzt zumal nicht gefaßt, wir haben doch nicht so gar weit zusammen, ich kanns euch alle Tag schicken, denn ich hab noch Kleinod und Geld zu München, das mit die Schuld für bezahlen möcht.

Das gunn dir Gott, sagt der Wirth mir ist aber damit nicht geholfen, so woelln sich meine Gläubiger nicht bezahlen lassen mit Worten, nemlich die von denen ich Brod Wein Fleisch Salz Schmalz und andere Speisen kaufe, komm ich auf den Fischmarkt, sehen die Fischer bald ob ich um baar Geld oder auf Borg kaufen wöll, nimm ichs auf Borg muß ichs doppelt bezahlen. Ihr Gesellen aber setzt euch zum Tisch, der Wirth kann euch nicht genug auftragen, wenn ihr gleichwohl nicht ein Pfenning in der Taschen habt. Drum merk mich eben was ich auf diesmal gesinnet bin . Willt du mich zahlen mit Heil,wo nicht will ich mich dem nächsten zu meins gnädigen Fürsten und Herrn von München Secretarien verfügen, derselbig wird mir wohl Weg und Steg an zeigen damit ich zahlt werd. A Dem guten Grünenwald war der Spieß an Bauch gesetzt, wußt nicht wo aus oder wo an dann der Wirth so auch mit dem Teufel zur Schulen gangen war, ihm zu scharf. Er fieng an die allersüßesten und glatteesten Wort zu geben. so er sein Tag je studieren und erdenken mocht. aber alles umsonst war.

Der Wirth wollt aber keineswegs schweigen und sagt, ich mach nicht viel Umständ, glattgeschliffen ist bald gewetzt, du hast Tag und Nacht wollen voll sein den besten Wein, so ich in meinem Keller gehabt, hab ich dir müssen auftragen, drum such nur nicht viel Mäus, hast du nicht Geld, so gib mir deinen Mantel, dann so will ich dir wohl eine Zeitlang borgen. Wo du aber in bestimmter Zeit nicht kommst, werd ich deinen Mantel auf der Gant verkaufen lassen, dieß ist der Bescheid mit einander.

Wohlan sagte Grünenwald, ich will der Sache bald Rath finden. Er saß nieder, nahm sein Schreibzeug Papier Feder und Dinten und dichtet nachfolgends Liedlein:

Ich stund auf an eim Morgen
Und wollt gen München gehn
Und war in großen Sorgen
Ach Gott wär ich davon
Mein Wirth dem war ich schuldig viel
Ich wollt ihn gern bezahlen
Doch auf ein ander Ziel

Herr Gast ich hab vernommen
Du wollest von hinnen schier
Ich laß dich nicht weg kommen
Die Zehrung zahl vor mir
Oder setz mir den Mantel ein
Demnach will ich gern warten
Auf die Bezahlung dein

Die Red ging mir zu Herzen
Betrübt ward mir mein Muth
Ich dacht da hilft kein Scherzen
Sollt ich mein Mantel gut
Zu Augsburg lassen auf der Gant
Und blos von hinnen ziehen
Ist allen Singern ein Schand

Ach Wirth nun hab Gedulte
Mit mir ein kleine Zeit
Es ist nicht groß die Schulde
Vielleicht sich bald begeit
Daß ich dich zahl mit baarem Geld
Drum lasse mich von hinnen
Ich zieh nicht aus der Welt

O Gast das geschieht mit nichten
Daß ich dir borg dießmal
Dich hilft kein Ausred Dichten
Tag Nacht wollst du seyn voll
Ich trug dir auf den besten Wein
Drum mach dich nur nicht müßig
Ich will bezahlet seyn

Der Wirth der sah ganz krumme
Was ich sang oder sagt
So gab er nichts darumme
Erst macht er mich verzagt
Kein Geld wußt ich in solcher Noth
Wo nicht der fromm Herr Fuker
Mir hilft mit seinem Rath

Herr Fuker laßt Euch erbarmen
Mein Klag und große Pein
Und kommt zu Hülf mir Armen
Es will bezahlet seyn
Mein Wirth von mir auf diesen Tag
Mein Mantel thut ihm gefallen
Mich hilft kein Bitt noch Klag

Den Wirth thät bald bezahlen
Der edel Fuker gut
Mein Schuld ganz über alle
Das macht mir leichten Muth
Ich schwang mich zu dem Thor hinaus
Adie du kreidiger Wirthe
Ich komm dir nimmer ins Haus

Dies Liedlein faßt Grünenwald bald in seinen Kopf , ging an des Fukers Hof , ließ sich dem Herrn an sagen , als er nun für ihn kam , thät er seine gebührliche Reverenz , demnach sagt er Gnädiger Herr, ich hab vernommen ,
daß mein gnädiger Fürst und Herr allhie aufbrechend auf München zu ziehen will .

Nun hab ich je nicht von hinnen können scheiden,  ich hab  mich dann mit Euer Gnaden abgeletzet. Habe Deren zu lieb ein neues Liedlein erdicht, so Euer Gnad das begehrt zu hören, wollt ichs Deren zu letze singen, Der gute Herr so dann von Art ein demüthiger Herr war, sagt Mein Grünenwald, ich wills gern hören, wo sind deine Mitsinger, so dir behülflich seyn werden, laß sie kommen. Mein Gnädiger Herr sagt er, ich muß allein singen dann mir kann hierin weder Baß noch Diskant helfen.

So sing her , sagt der Fuker . Der gute Grünenwald hub an und sang sein Lied mit ganz fröhlicher Stimm heraus. Der gut Herr verstund sein Krankheit bald, meinet aber nit daß der Sach so gar wär wie er in seinem Singen zu verstehn geben hat, darum schickt er eilend nach dem Wirth, als er nun die Wahrheit erfuhr, bezahlt er dem Wirth die Schuld, errettet dem Grünenwald seinen Mantel und schenk ihm eine gute Zehrung dazu. Die nahm er mit Dankt an, zog demnach seine Straße, da erhob sich ein Wind der selbigen Mantel recht lustig vor dem Hause des armseligen Wirthes aufblies war aber dem Wirthe entgegen warf ihm auch die Fenster zusammen darum Kunst nimmer zu verachten ist

Aus dem Rollwagenbüchlein

Wir sprechen aus der Seele des armen Grünenwald, das öffentliche Urtheil ist wohl ein kümmerlicher Wirth, dem unsre Namen als Mantel dieser übel angeschriebenen Lieder die Schuld nicht decken möchten. Das Glück des armen Singers, der Wille des reichen Fuker, geben uns Hoffnung in Eurer Erzellenz Beifall aufgelöst zu werden .

in: Des Knaben Wunderhorn I, 1808

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