Volkslied-Bücher
Erika Kross und Jürgen B. Wollf (in: Kurzer Abriss über die Publikationen zum deutschen Volkslied)
Um die Jahrhundertwende greift der Drang, kapitalistischem Alltag und bürger-licher Enge zu entfliehen, wie eine Epidemie um sich. Neue Naturverbundenheit bringt vor allem unter der Jugend eine Rückbesinnung auf das ,,echte“ Volkslied mit sich. 1908 erscheint derZUPFGEIGENHANSL, der sich zum Leib-und-Magen-Liederbuch der Wandervögel mausert und zum meist aufgelegten deutschen Volksliederbuch wird. Inhaltlich unterscheidet er sich wesentlich von populären Liedersammlungen seiner Zeit und vereinigt in recht glücklicher, wenn auch von bürgerlicher Gesinnung diktierter Auswahl vieles aus den bedeutenden Samm-lungen des 19. Jahrhunderts unter dem Aspekt praktischer Anwendbarkeit (Akkord-bezifferungen, Handlichkeit, Übersichtlichkeit).
,,Nur Gutes, kein Allerweltskram, um keinen Fingerbreit gewichen dem herrschenden Ungeschmack, das war unser redliches Bemühen, als wir an das Sichten des Liederstoffes gingen … So soll das Büchlein endlich dazu dienen, Sangeskunst und Sinn für die schlichte, schöne Art des Volkes zu fördern, mit hinwirken nach dem Brennpunkte unserer heutigen Kulturbestrebungen: Liebe zum Volk und Ehrfurcht vor seinen unvergänglichen Werken.“16 Der Inhalt des ZupfgeigenhansI bestimmt den Trend für die meisten wichtigen Liederbücher dieser Volkslied-Renaissance. Der Wandervogel gibt Anstoß zu allerlei Aktivitäten auf dem Gebiet der Volksliedpflege und darüber-hinaus. Wichtige Namen sind u. a. HÄSELER, HENSEL, JÖDE und PREISS. Obzwar in seiner Zielsetzung bürgerlichen Konventionen verhaftet, muß man dem Wandervogel.trotz allem bedeutende Verdienste zugute halten.
Rechtsgerichtete Strömungen des Wandervogels gehen allerdings schon in den 20er Jahren mit profaschistischem Gedankengut schwanger. Sie münden nach 1933 in jene umfassende, bis dahin einzigartige Kulturdemagogie, die auch dem Volkslied den Stempel nationalsozialistischer Prägung aufdrückt. Lieder werden verfälscht, ihrer angestammten Tradition entrissen und ideologisch ver-einnahmt, Nazilieder werden zu Volksliedgut erklärt, unliebsame Autoren totge-schwiegen.
,,Dieses das ganze Volk langsam immer tiefer ergreifende Singen von Volksliedern ist undenkbar ohne den Nationalsozialismus, ist undenkbar ohne jene inneren Kräfte des Liedes, die auf das gleiche deutsche Volkstum hinweisen, aus dem heraus die politische Neuwertung durch den Führer gestaltet wurde.“17 Trotz-dem muß betont werden, daß zwischen 1933 und 1945 vielfältige wissenschaft-liche Arbeiten fortgeführt werden und eine beachtliche Anzahl von Veröffent-lichungen zum Volkslied erscheint, die nahezu unberührt von faschistischer Kultur-ideologie zu bleiben vermögen (DANCKERT, Jungbauer/HORNTRICH, KOEPP, KUCKEI, Meier, Pinck).
Volksmusik: Volksliedbücher
Schlagwort: Schule
Ort: Augsburg, Berlin, Breslau, Darmstadt, Hamburg, Leipzig, München, Österreich, Prag, Wien
Siehe dazu auch:
- Allgemeines Schweizer Liederbuch (Vorwort, 1828) ()
- Allgemeines Schweizer Liederbuch (Vorwort, 1833) ()
- Als der Großvater die Großmutter nahm (Auflage 1922) ()
- Die Bedeutung des Liedes für die Auswanderung ()
- Einleitung: Demokratische Volkslieder ()
- Geschichtliche Entwicklung der Heimathymnen ()
- Kinderlieder ()
- Ministerium stoppt Bundeswehr-Liederbuch ()
- Mitteilung über das niederdeutsche Volkslied „Burlala“ (=Peterlein) ()
- Neue Soldaten- und Marschlieder (1916) ()
- Schlesische Volkslieder (1842): Vorwort ()
- Schlesische Volkslieder: Vorwort von Ernst Richter ()