Volkslied-Bücher

Erika Kross und Jürgen B. Wollf (in: Kurzer Abriss über die Publikationen zum deutschen Volkslied)

Herder wertet Volkslieder streng nach literarisch-ästhetischen Gesichtspunkten: ,,Volk heißt nicht, der Pöbel auf den Gassen, der singt und dichtet niemals, sondern schreyt und verstümmelt“3. Jedoch weist er im Gegensatz zu seinen romantischen Nachfolgern auch auf politische und soziale Komponenten im Volksgesang hin. Die offensichtlichen Qualitäten des Volksliedes (poetische Klarheit, Langlebigkeit) lösen im Sturm und Drang eine regelrechte Volkslied-Euphorie aus. Namhafte Zeitgenossen greifen Herders Aufruf zum Sammeln tatkräftig auf (Bürger, Goethe, Lessing). Auch die ersten gezielten Volksliedbetrachtungen fallen in die beiden letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts (Bothe, Elwert, Gräter).

Ein Jahr vor Erscheinen von Herders Volksliedern veröffentlicht Friedrich Nicolai seinen „feynen kleynen Almanach„, mit dem er seine Bedenken gegen dessen Euphorie zum Ausdruck bringen will. In einem Brief an Lessing vom 5. Juni 1777 betont er, „daß wahrhaftig nicht alle Volkslieder des Abschreibens wert sind“. Auch wolle er (29. Juni 1776 an Lessing) dem „übermäßigen Geschwätz von Volksliedern ein wenig in die Quere kommen“4. Seine Sammlung ist interessant, da sie einige ruppig-unbekümmerte Lieder plebejischer Prägung enthält, für die man erst viel später wachsendes Interesse zeigen wird – auch wenn Herder von einer ,,Schüssel voll Schlamm“ spricht. Überdies enthält sie bereits Melodien, denen die in erster Linie literarisch interessierten Aufklärer und Romantiker nur wenig Aufmerksamkeit schenken.

1806-08 erscheint Des Knaben Wunderhorn von Achim von Arnim und Clemens Brentano. Zwar Herder verpflichtet, verwischen sich bei ihnen soziale Gegensätze in romantischer Verklärung. Der literarisch-ästhetisierende Anspruch tritt in aller Deutlichkeit hervor: die meisten Lieder sind bearbeitet und allerlei Gedichte, auch von den Herausgebern selbst, werden aufgenommen. Jedoch ist es die erste Sammlung, die eine Vielzahl im Volke lebendiger Lieder, gesammelt von einem großen Freundeskreis, umfaßt. Sie lassen das Wunderhorn für lange Zeit als die Sammlung deutscher Volkslieder gelten; zum ersten Mal wird mit Romantik und Wunderhorn ,,in bewußter Abgrenzung … der Inhalt dessen bestimmt, was noch heute, vom Gefühl aus, vielfach „Volkslied“ genannt wird“5. Daneben erscheinen wichtige Publikationen von BÜSCHING / VON DER HAGEN und Joseph GÖRRES, die besonders altes als besonders „echtes“ Liedgut bevorzugen.

Der Anspruch der Romantiker, alte Lieder, die mit den Anfängen umfassender gesellschaftlicher Umschichtungen und kapitalistischer Wirtschaftsweise verloren zu gehen drohen, erhalten und wiederbeleben zu wollen, bildet den Keim für erste landschaftliche Sammlungen. So erscheinen 1817 „Alte teutsche Volkslieder in der Mundart des Kuhländchens“ von Josef George MEINERT. 1810 folgen (bereits mit Melodien) die „Oesterreichischen Volkslieder“ von ZISKA/SCHOTTKY.

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